Eigentlich, ja eigentlich
wollte ich ja nicht … jedoch nachdem die mittlerweile hinreichend bekannte Pandemie bedauerlicherweise sich
selbst, mit global verbreiteter Unterstützung selbsterklärend, mal wieder volle Fahrt
zu genehmigen scheint, erlaubt mir dieser verdriesliche Umstand, ausreichend Zeit
aufzuwenden, mich auf den Weg zum letzten Lockdown zu machen, um von
meinen vinophil-wagemutigen Erlebnissen zu berichten. Vorab sollte
jedoch erwähnt sein, dass ich trotz des zwar möglicherweise
passenden, aber dennoch vollkommen sich überhebenden Titels dieses
eher mäßigen Abendheuerberichts, mir jegliche Anspielung oder gar Referenz an die
Erlebnisse von Florentino Arizas oder des Doktors Juvenal Urbino
tunlichst und im vollen Bewußtsein verkneifen möchte. Der sich in
mir nach einigen Jahren immernoch aufbauende Respekt gegenüber dem auf milde Weise angespielten Werk, welcher durchaus auch durch Schmerzen und viel
innerem Kampf generiert wurde, vermag es dieser mich immernoch im
ausreichenden Maße einzuschüchtern. Mögliche
Beeinflussung durch meine derzeitige Lektüre, kann ich leider nicht
gänzlich ausschließen … was sich wohl recht offensichtlich an meiner verwendeten
Ausdrucksweise möglicherweise ersichtlich machen dürfte! Ich
werde aber mein vortrefflich Bestes anstreben, den eigenschaftslosen
Ulrich, in meinen nun folgenden recht wirren und der Maßlosigkeit entgegenstrebenden Beschreibungen, wegzusperren!
Nun aber weiter im Text!
Sonst besteht Gefahr, dass ich mich noch komplett verliere und mit meinen
Verwirrungen und Irrungen den letzten Leser vergraule! Im
letzten Lockdown führten mich meine schon zu Beginn erwähnten
vinopihl-waagemutigen Abendheuer an die südlichen Gestade einer
Insel, die eher für ihr haselnuss-schwarzes Bier, überdenkenswerte
Bank- und Internetdienstleistungen und salzige Supermarktbutter
bekannt ist. Wein von besagter Insel ist mir bis zu diesem Zeitpunkt nie ins Glas gekommen. Darauf soll ein vinophiles Erlebnis von einem Ort
folgen, an welchem schon ein von steigendem Wasser gestresster Noah vermeintliches Land
mit Hilfe von weissen Vögeln erblickt haben soll.
Weiter, weit weit gen Westen gehen soll es in die Anhöhen der
großzügigen Felskratzer, in welchen ein nicht weiter
genannter Schweizer Esoschaftler seit Jahrzehnten Erstkontakte zu
himmlischen Wesen zu beweißen versucht. Von besagten Anhöhen geht
es die Zeit quasi sich selbst einholend noch weiter gen Westen zu neuzeitlichen marinen Anhebungen, welche glücklicherweise grade weit genug entfernt von ihrer viel bekannteren artverwandten Gesellschaft, mit leider nur auf's langsamste
vergehender Strahlkraft, liegen. Und abschließend soll es für
mich in wesentlich vertrautere Schatten gehen, in welchen ich auf's indirekteste mit deutschen
Winzerinnen in sonnig royaler Sommerfrische etwas Zeit verbingen
durfte. Verwirrend und irrend genug?! Dann kann es ja eigentlich
gleich losgehen ...
Thomas Walk Vineyard Velvet Rondo 2018, Cork - Ireland
In der Tat! Es stimmt
wirklich was da oben steht! Auch jetzt noch, nach geraumer Zeit, macht mir die Tatsache ein klein wenig Angst! Aber es stimmt: Wein aus Irland! Der Insel des besagten
Bieres, der modernistischen Finanz und salzigen Butter. Immerhin kommt der Winzer aus
weinvertrauten Gefilden: aus Unterfranken! Seit über 30
Jahren produziert Thomas Walk nach ökologischen Richtlinien nun
schon Wein im Süden Irlands. Zumeist aus neuen Rebsorten, wie auch
mein verkosteter Wein, aber - zumindest versuchsweise in Teilen –
auch aus Silvaner, Riesling oder Spätburgunder. Mein Velvet aus 2018
war ein 100%iger Rondo. Rondo ist eine Hybridrebsorte aus St. Laurent
x Zarya Severa, welche erstmals 1964 in der damaligen Tschecheslowakei
gekreuzt wurde und sich auch noch heute gewisser Beliebtheit in
sehr feuchten und gerne auch in nördlich-exotischen Weinanbaugebieten erfreut. Die
Trauben für den Velvet Rondo wurde ohne Rappen wenige Tage auf der
Maische in offenen Edelstahltanks vergoren und danach für einige
Monate ausgebaut.
Der samtige Rondo wartete
mit einer recht eigenwilligen visuellen Anmutung auf. Farblich sehr
glänzend und ins Granatrot gehend mit neonhafter leuchtkraft.
Auffällig war auch die gehörige Portion an Kohlensäure und beträchtlichen
Sedimenten. In der Nase viel Rum-Trauben-Schoki von Ritterlichkeit.
Nicht all zu expressive Himbeere. Auch ein paar Mandarinen. An viel
Rauch, Holzkohle und getrocknetes Steppengras fehlte es auch nicht.
Der zu Beginn recht präsente leicht medizinal-kräuteriger Ton
gefiel mir weniger. Mit der Zeit wurden die nasalen Eindrücke immer
köchelnder und rauchiger. Am Gaumen zeigte sich eine sehr simple
Struktur. Insgesamt waren die ersten Eindrücke von brachialer Säure
und schlanker Fruchtigkeit geprägt. Hier ließen sich wieder die
angewärmten Himbeeren und eine sich dazugesellende Pflaume finden.
Auch nach einigen Stunden konnte ich mir nicht so ganz die unterstellte Samtigkeit
im Namen des Rondos erklären. Die Säure war immer noch sehr
bestimmend und vor allem sehr fordernd. Tannine waren leider kaum zu
vernehmen. Die Frucht hielt zwar durch, wurde aber zunehmend von
einer kräuterigen Traubenkernaromatik begleitet, die ich gerne
vermisst hätte. Leider eine eher flache Erfahrung! Immerhin habe ich
es jetzt endlich mal, wenn auch nur mit der Zunge, in den Süden Irlands geschafft!
Zorah Wines Karasi Areni Noir 2015, Ararat - Armenia
Als exotisch, oder
gar außergewöhnlich was Wein betrifft, würde ich das Land im Schatten
vom Ararat nun wirklich nicht bezeichnen wollen. Ist ja bekanntlich
neben Georgien das wahrscheinlich betagteste Weinland auf unserem Planeten. All zu
oft laufen der sogar neugierigsten Weinzunge armenischen Weinen leider
nicht über die Wallpapillen. Seit Anfang des neuen Jahrtausends produziert der italienische Modedesigner Zorik
Gharibian Weine aus der uralten Rebsorte Areni Noir. Manche Annahmen
gehen davon aus, dass Areni Noir über 6000 Jahre alt sein könnte.
Wie sein Name wohl verraten mag, hat Zorik armenische Wurzeln. Doch
der Bezug zum armenischen Wein baute sich erst allmählich nach
seinem ersten Besuch in der Heimat seiner Vorfahren Ende der 1990iger Jahre auf. Die
Trauben für den Karasi wurden auf ca. 1400 m Seehöhe auf
kalkig-sandigen Böden am Fuße des Ararat auf wurzelechter Unterlage
angebaut. Vergoren und anschließend für ca. 12 Monate ausgebaut
wurden die Trauben respektive der Most in großen temperaturregulierten Zementtanks, die zumindest
zum Teil eine Alterung in herkömmlichen Amphoren imitieren sollen.
Farblich wartete der Areni
Noir mit vitalem Granat, einer blutigen Radianz und viel Transparenz
auf. In der Nase zeigten sich frische Zwetschgen, leicht marmeladige
Brombeeren, würziges Fenchelgemüse, schwarzer Pfeffer, ziehender
Bäckerteig, Kaffeepulver, eine flintig wirkende "verbrannte" Mineralik und eine Spur
Minze! Für mein persönliches Dafürhalten nicht wirklich ein Nasen-Wein, da gährender Teig und meine persönliche Abneigung gegenüber
zerkochtem Fenchel nicht all zu ansprechend ist. Der Gaumen wirkte
insgesamt etwas kühler und filigran nuancierter als in der Nase.
Insbesondere die ansprechend filigrane Struktur, gepaart
mit griffigem im abschmelzen befindlichem Tannin, habe es mir
angetan. Dazu gesellte sich eine eher relaxte Säure, die ihren
galanten Beitrag leisten vermochte. Was die eigentlichen Armonen betrifft
wirkten diese etwas weniger marmeladig. Brombeeren und viel
Pfeffer Peffer Pfeffer (von schwarz bis grün) wirkten doch recht dominant.
Die kühlere Zwetschge, das Rosenwasser, eine Spur zuviel Karamell,
etwas Holzkohle und frischer Fenchel wirkten eher im Hintergrund.
Nach einigen Stunden verstärkte sich der von Holzkohleeindruck und
des salzigen, sowie geräucherten, Lakritz. Ein recht
gletscherwasser-feiner Hochgebiergs-Südländer in Rot von schlanker
und lebendiger Anmutung der mir richtig Spass gemacht hat. Gut, das Lakritz und das Karamell hätten von mir aus schüchterner ausfallen dürfen. Dennoch ein durchaus überzeugender Wein!
Intipalka Valle Del Sol Sauvignon Blanc 2019, Valle de Ica - Peru
Mein Ausflug zu den
Botschaftern des Himmels war - wie soll ich es diplomatisch
ausdrücken - sehr touristisch und nach internationalen Maßstäben
recht ordentlich organisiert. Oder anders und sehr kurz:
stark-fruchtiger Sauvignon Blanc mit mittlerem Körper angereichert
mit gepflegter Langeweile und mildem Zuckerschwanz, der im Grunde von überall herkommen
könnte. Die Hitze und Trockenheit des wüstenartigen Tals der Sonne
im Zentrum von Peru kam eigentlich zu keinem Zeitpunkt der Verkostung rüber. Schon
garnicht die granitlastigen sandigen Böden in der Gegend um Ica. Was letzteres
betrifft, für mich persönlich kein all zu beträchtliches Problem,
da meine Granitliebe nicht sehr ausgeprät ist. Diese Abneigung habe ich befürchtenswerterweise das eine oder andere mal bei anderen Granitweinen brachial-stark
durchschimmern lassen. Wie dem auch sei. Eine sehr sauber wirkende
und leider schläfrig langweilige Angelegenheit internationaler Prägung!
Domaine Dominique Auroy Blanc de Corail 2017, Rangiroa - Tahiti
Hier, auf der anderen
Seite der Zeit, wurde es dann doch recht exortisch! Und dann auch
wieder nicht all zu sehr, da Rebsorten und Wissen aus dem Mutterland importiert wurden. Ungefähr 350 km
nordwestlich von Tahiti befindet sich das Atoll Rangiroa. Nur so
neben bei bemerkt, falls es jemanden interessieren sollte und ich es
mir ja nicht verkneifen konnte einen gewissen Umstand in der
Einleitung unerwähnt zu lassen, die bekanntesten Atolle Französisch-Polynesiens mit den melodischen Namen Moruroa und Fangataufa befinden
sich ca. 1300 km südwestlich von Rangiroa. Egal! Seit 1999
produzieren der Unternehmer und Weinsammler Dominique Auroy und sein
lokales Team unter der Leitung von Sébastien Thépénier Weine von
durch und durch kalkigen Korallenböden. Die Rebparzellen stehen
wenige Meter von der Lagune entfernt zwischen Kokusnusspalmen auf
schüchtern bedecktem blanken Korallen-Kalkstein. Der trockene
Einstiegswein Blanc de Corail ist ein Verschnitt aus Muscat de
Hambourg, Carignan und der Neuzüchtung Italia. Das besondere an dem
Wein ist, also neben seiner Herkunft, ist die Außergewöhnlichkeit, dass es jedes Jahr zwei Jahrgänge dieses Weins gibt. Weine aus
tropischen Regionen sind mir überhaupt nicht fremd. Ich hatte fast schon
besorgniserregend viele Weine aus Südostasien. Aber zwei Ernten pro
Jahr wären zwar meines Wissens auch dort möglich, sind aber keineswegs üblich. Wie dem auch
sei, an eigentlicher Qualität mangelte es dem Blanc de Corail nicht!
Farblich wirkte der Blanc
de Corail nicht all zu „blanc“. Auch nicht all zu verwunderlich
bei dem Anteil an Carignan. Fahles Lachsrosa gepaart mit einreduziertem Rotgold dürfte
es eher treffen. In der Nase recht viel Zimt, auch kühler Rauch,
getrocknete Früchte, eine Spur Vanille, Brioche, etwas Karamell,
Waschstein inkl. mildes Waschmittel und andere artverwandte Attribute, die
man ab und an gerne mit Kalkböden in Verbindung bringen mag. Insgesamt
durchaus komplex und mit eher barock anmutendem Parfüm verwöhnt. Am
Gaumen zeigte sich seine kalkige Unterlage sehr direkt und ausgeprägt. Seine maritime Salzigkeit konnte ebenfalls überzeugen.
Die Frucht war geprägt von Wassermelone, schüchterner Ananas und
Gurkenhaut. Diese eher mildfruchtige Prägung wurde ergänzt durch
Aromen von Zimt, Mandeln, auch Paranüsse, Brioche und
Vanille-Schlagsahne. Eine erwähnenswerte Länge des Abgangs mit
drall-barocker Untermalung und der mir viel zu oft von Weinfans betonte „Druck
am Mittelgaumen“ war überraschenderweise richtig spürbar. Ein Wein, den
ich durchaus mit gewissem Genuss getrunken habe! Eine weitere Überraschung!
Monsoon Valley Vineyards Shiraz 2016, Hua Hin Hills - Thailand
Im Vergleich zu den
vorrangegangenen „Weinregionen“ - mit entschlossen einschränkendem Bedacht auf die antike Bedeutung Armeniens, ist Thailand mit seinen mehreren
tausend Hektaren an Weinbergen und zuweilen dreistelligen
eurometrischen Preisen pro Flasche, mittlerweile eine gefühlte Weingrossmacht. Sonderlich beschaulich überschaubar ist die Monsoon Valley Winery im Hinterland des königlichen Badeorts Hua Hin nicht mehr so richtig. Nachdem der für seine energiestiftende Brause bekannte Geschäftsman Chalerm Yoovidhya schon im Khao Yai Gebirge nördlich von Bangkok über ein Weingut verfügte, wurde er 2002 vom Huay Sai Royal Research Project gebeten im südlichen Zentralthailand in der Provinz Phetchaburi ebenfalls Reben versuchsweise anzubauen. Aus diesem Versuch entstand nach wenigen Jahren die Monsoon Valley Winery mit heute ca. 110 ha Mischfläche aus Reben, Gärten, Teichen, Restaurants usw. Neben Syrah werden hier Chenin Blanc, Colombard, Sangiovese und weitere klassische Rebsorten angebaut. Gut, auch ein wenig Dornfelder soll es dort geben. Also doch nicht ganz so klassisch ... Die Böden der von Bergen umzingelten kleinteiligen Weinberge sind sehr vom lehmigen Sand geprägt. Von 2007 bis 2017 war die mittlerweile ins Rheingau heimgekehrte deutsche Önologin Kathrin Puff für die Weine von Monsoon Valley verantwortlich. Heute ist sie Chefönologin im Weingut Kloster Eberbach!
Visuell zeigte der Shiraz
ein sehr jugendlich wirkendes Granat mit einer Spur an Transparenz
und keinerlei Alterungsnoten. Die Nase wirkte zunächst ein klein wenig
dumpf, vegetabil und auch hohl. Liest sich nicht so toll an! Nach
einer runden halben Stunde öffneten sich freudvollere Aromen! Diese erinnerten mich leicht an kompottige Erdbeeren,
eher kühlen Brombeeren, ein Hauch von würzigen ätherischen Noten, Minze, etwas
Avocado, mehr schwarzen Peffer, frisch geschöpftes Papier und
Rumtopf. Nasal über die gesamte Verkostungsdauer nicht
all zu begeisternd. Am Gaumen konnte er wesentlich besser glänzen.
Er wirkte wesentlich vitaler, wenn auch eher sehr einfach getrickt.
Hier zeigten sich vielerlei peffrige Aromen. Vom schwarzen Pfeffer
bis hin zu einer Spur Cayenne Pfeffer. Dazu Kohletabletten,
Basilikum, schwarze Oliven, Salzlake und eher zurückhaltende Aromen
von Vanillin. Von der Frucht her ebenfalls stark in Richtung Erdbeere
und Brombeere neigend. Widerrum leicht angeköchelt. Vielleicht aber nicht
ganz so sehr wie in der Nase. Zu würzigen - und gerne auch
feurig überwürzten – Gerichten, dürfte er durchaus seine Stärken
vortrefflich einbringen.