5.9.15

Schweizer Allerlei Spezial: MÉMOIRE & FRIENDS 2015



Schon eine geraume Weile seit meinem letzten „Schweizer Allerlei“ Verkostungsbericht her, odr! Leider ... „Schuld“ mag wohl die sich für mich wein-fatal auswirkende Aufhebung der Mindestwechselkursbindung zum schwachen Euro sein. Demnach konnte ich in den vergangenen Monaten zur Steigerung der eher reserviert-dynamischen 1,8 prozentigen Exportrate Schweizer Weins kaum etwas beitragen. Zu meinem Glück gab es am vergangenen Montag ein weiteres Mémoire & Friends Grand Tasting der Swiss Wine Connection im altehrwürdigen Kongresshaus zu Zürich. Wohl einer der besten Möglichkeit eines jeden Jahres bzw. Jahrgangs literweise neue Eindrücke in Sachen Schweizer Wein zu absorbieren. Bei über 170 anwesenden Weinproduzenten aus allen Landesteilen und einem gerade mal fünfstündigen Verkostungszeitfenster aufgrund Fehlplanung meinerseits, musste ich bei dem dieses jährigen Grand Tasting hart umrissene Prioritäten setzen. Abgesehen von einigen evergreen'isch anmutenden Vorspeisen weißer Couleur von Louis Bovard, Luc Massy und der Domaine La Colombe aus dem Waadt und der einen oder anderen süßen Nachspeise in Form von Grain Noble Marsanne aus dem Wallis musste ich mich dazu anhalten meine bei leicht mollig warmen Temperaturen geforderte Zungenkonzentration auf die Roten Schweizer auszurichten. Im Zungenfokus standen in erster Linie Pinot Noir aus deutschsprachigen Kantonen, dem Wallis und natürlich der Drei-Seen-Region, Merlot (inkl. Cuvées) aus dem Tessin sowie nur leider einem reinsortigen Gamay aus dem Kanton Genf. Die zum teil oft großartigen Syrah aus dem Wallis und der restlichen Romandie musste ich leider nahezu auslassen. Am Rande erwähnt seinen aber die viel versprechenden und durchweg kühl-kernig wirkenden 2013er Syrah von Simon Maye, Histoire d'Enfere und der Domaine Les Hutins. Zugegeben keine wirklich großen Überraschungen für Kenner der Schweizer Weinszene. Ich muss vorwarnen, dass es zu ähnlichen Nicht-Überraschungen für besagte Fachleute im weiteren Verlauf meines kurzen Verkostungsberichts kommen wird. Bevor ich nun im Stakkatostil meine Eindrücke wiedergeben möchte, sollte ich darauf hinweisen, dass ich mich nur auf meine rein subjektiven und positiven Zungenerlebnisse beschränken möchte. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit so mancher Enttäuschungen von mir bekannten und unbekannten Erzeugnissen würde an dieser Stelle ganz einfach den Rahmen sprengen.




Wie es bei mir nicht weiter verwunderlich sein dürfte, drängt es mich mit den helvetischen Pinot Noirs beginnen zu müssen. Am naheliegenden ist da die Deutschschweiz. Allen voran natürlich die aktuellen Editionen aus Graubünden. Meine beiden Highlights, ein überraschendes und ein über die Jahre bestätigendes, waren zum einen der Pinot Noir Barrique Jenins 2013 von Weinbau Annatina Pelizzatti aus Jenins und zum anderen die gesamte Blauburgunderkollektion von Weinbau von Tscharner in Reichenau. Meiner Ansicht nach zeigte sich der Pinot Noir Barrique Jenins 2013 von Annatina Pelizzatti weitaus eleganter und balancierter, insbesondere hinsichtlich des fein abgestimmten Holzeinsatzes, als in den mir bekannten Jahrgängen zuvor. Für mich ohne Zweifel ein sehr anständiger ***** Pinot Noir mit Kraft, Dichte, eher etwas dunkler Frucht und sich ankündigenden ansprechender Balance. Im Gegensatz zu vielen anderen Classic Pinots aus Graubünden gefiel mir auch Pelizzatti's Ausgabe aus 2014. Trotz einem vermutlich schwierigem Jahrgang zeigte dieser durchweg vielversprechendene Ausgewogenheit und nicht zu „intensive Leichtfruchtigkeit“ wie bei Weinen anderer Hersteller aus dieser Kategorie. Meiner Ansicht nach absolut anständig **** Pinot Noir.

Das über die Jahre sich bestätigende Highlight waren die Weine von Gian-Battista von Tscharner. Insbesondere der gewichtige, dichte, ziemlich sicher wilde, extrem junge und trotz aller Eigenheiten super gelungene Churer Blauburgunder Gian-Battista aus 2010. Ich nehme an, dass dieser eher zur Schwere neigende Pinot stark von der jahrgangsbedingten Säure profitiert hat. Eigentlich auf die Zukunft gesehen ein fantastischer****** Pinot Noir. Neben diesem Schwergewicht, dass noch viele Jahre auf der Flasche reifen darf, hat mir sogar der Jeninser Blauburgunder Mariafeld 2010 gefallen. Trotz der mir nicht so sehr ans Herz gewachsenen zur Fruchtigkeit neigenden Mariafeldklone zeigte dieser etwas leichtere und nicht zu fruchtbetonte Pinot Noir das aus solchen Klonen auch vielschichtige Weine hergestellt werden können. Ganz klar ein anständiger **** Blauburgunder mit viel regionalem Charakter.


Sonstige Bündner Pinot Noirs die mich überzeugen konnten waren die durchweg unterschiedlichen und sehr seriös wirkenden Malanser Pinots Selvenen, Fidler und Spielmann aus 2013 vom Weingut Georg Fromm. Alle zeigten für mich anständige **** bis sehr anständige ***** Qualitäten. Auch der Eichholz 2013 vom Weingut Eichholz Irene Grünenfelder zeigte im Gegensatz zum Alte Reben 2013, der mächtiger und holzbetonter daherkam, raffiniert abgestimmte Finesse, dennoch hintergründige Kraft und ansprechenderen Holzeinsatz. Ähnlich positiv empfand ich den Monolith 2013 vom Weingut Obrecht. Dieser zeigte zwar mehr Kraft und mehr Holz - beide aber tendenziell gebändigt – und dazu überzeugende Dichte. Ich hatte schon Monolithen im Glas die sich als wesentlich ausufernder darstellten. Auch diese beiden zeigten für mich anständige **** bis sehr anständige ***** Qualitäten. Ganz sicher erwähnenswert war auch Christian Hermann's Pinot Noir H aus dem Jahr 2010. Dieser geht seinen Weg und überzeugt mit jeder Verkostung mehr und mehr. Ganz klar ein sehr anständiger ***** Pinot Noir der sich erstaunlich elegant und schlank für ein so konzentrierten Wein aus dem Halbbarrique präsentierte.

Aus der restlichen Deutschschweiz konnten mich, wie schon an unterschiedlichen Stellen in meinem Blog mehrfach erwähnt, so manche Pinots der Weingüter Schlossgut Bachtobel aus dem Thurgau, Weinbau Lüthi, Weingut Familie Zahner und der Winzerei zur Metzg aus dem Kanton Zürich überzeugen. Alle Pinots waren sehr unterschiedliche und manches mal recht kraftvoll oder auch ein wenig zu kraftvoll vielleicht. Ganz vorne war für mich sicherlich der Pinot Noir No. 3 2013 von Bachtobel. Ein sehranständiger ***** und durchweg ausgewogener, elegant wirkender Pinot Noir ohne übermäßige Holzprobleme und angenehm abgestimmter Fruchtigkeit. Manche Züricher, abgesehen vom Truttiker Pinot Noir Barrique 2011 der sich eher feiner und raffinierter präsentierte, hatten da schon einiges mehr Holz und Kraft zu bieten. Vielversprechend waren die meisten Pinots der erwähnten Weingüter dennoch allemal. Schade fand ich, dass mein persönlicher Thurgauer Favorit, das Weingut Broger, dieses Jahr nicht an dem Grand Tasting teilgenommen hat. Ein weiterer Grund mehr für eine zukünftige Reise an den Bodensee.



 
Bei den Pinot Noirs von der anderen Seite des Röschtigrabens gefiel mir natürlich der kühle, druckvoll intensive, dennoch filigran wirkende, dunkelfruchtige und durchweg sehr anständige ***** Grain Pinot Champ Dury 2014 (Fasssprobe) von Marie-Thérèse Chappaz. Leider habe ich es wegen meinem voreiligem Anstürmen der Tessiner Ständen versäumt weitere Pinots aus dem Wallis zu verkosten. Doch andere sehr beachtliche Pinots, die eher in meine präferierte Stilistik hineinspielen mögen, kamen aus der Region um Neuenburg. Diese möchte ich keinesfalls unterschlagen. Hier gefielen mir in erster Linie die Pinot Noirs d'Auvernier 2012 und d'Hauterive 2013 von der Domaine de La Maison Carrée. Der Pinot Noir d'Auvernier 2012 war durchweg elegant, super schlank, duftig, sehr klar, feingliedrig und seriös tief-kalkig. Ohne Probleme ein sehr anständiger ***** Pinot Noir zu erstaunlich niedrigem Preis den ich mir in nächster Zeit nochmal etwas genauer anschauen werde. Aber auch der ernsthafte Pinot Noir élevé en barrique von dem Caves du Château d'Auvernier 2012 und der delikat voluminöse, kräftige, sanst anmutende und fein holzwürzige Pinot Noir Cuvée Charlotte l'Esprit de Chambleau 2013 vom Caves de Chambleau in Colombier zeigten ganz eindeutig anständig**** ansprechende Qualitäten. Aus dem Waadt und aus dem Kanton Genf konnte ich leider keine reinsortigen Pinot Noirs verkosten. Insbesondere bedauere ich den anscheinend sehr ambitionierten P 2012 von der Domaine Grand'Cour verschwitzt zu haben. Naja, dafür gefiel mir der schon angekündigte Gamay. Dieser leichte, unkomplizierte und dennoch intensive Gamay La Briva VV 2014 kam von der Domaine Les Hutins. Auch er zeigte überzeugend anständige **** Qualitäten.

Zum Abschluss, aber eigentlich im Zentrum meiner diesjährigen Zungenkonzentration standen die Weine des Tessins. Wie schon einmal in diesem Text angedeutet haben auch hier die anwesenden „Klassiker“ unter den Tessiner Winzern am meisten Begeisterungspotential in mir entfacht. Allen voran die filigranen und spannungsgeladenen Weine von Terraferma Zündel aus Beride. Sogar die beiden sehr unterschiedlichen Chardonnays Velabona und Dosso aus 2013 gefielen mir sehr. Der Velabona zeigte sich etwas kerniger, kühler und mineralischer. Der Dosso war ein wenig weicher, blumiger und schlanker. Beide zeigten für mich durchweg anständige**** bis sehr anständige ***** Qualitäten. Der kühle, elegante, superschlanke, tanninstarke und sehr dicht gewobene Orizzonte 2013 konnte mich trotz seiner jugendlichen Aufmüpfigkeit und Verschlossenheit sehr überzeugen. Sicherlich ein sehr anständig***** Merlot mit Tendenz zum fantastischen ******. Sehr gefallen haben mir auch die etwas gewichtiger wirkenden und minder tanninintensiven Castelrotto Villa 2013 (schwer, kernig, vielleicht sogar etwas karg, würzig) und Ronco-Castelrotto Sass 2013 (etwas „dicklicher“, weicher und schmeichlerischer). Beide zeigten für mich durchweg sehr anständige ***** Qualitäten. 

 
Weitere Weine eines „Klassikers“ die mir sehr zusagten kamen von Daniel Huber aus Termine. Sowohl seine Merlots Vigneti di Castello 2013 und Ronco di Persico 2013 als auch seine Cuvées Costera Riserva 2013 (Merlot, Cabernet Franc, Petit Verdot und Carminoir) und natürlich der Montagna Magica 2013 (Merlot und Cabernet Franc) konnten mich überzeugen und letzerer potentiell auf die Zukunft gesehen total begeistern. Alle diese meines erachtens sehr anständigen ***** Weine wirkten im Vergleich zu 2012 etwas schlanker, karger, sicherlich noch verschlossener als sonst in der Jugend üblich und ernsthafter. Allen vorweg begeisterte mich der kraftvolle, dichte, wunderbar würzige auf potentiell fantastische ****** Qualitäten zustrebende Montagna Magica 2013. Wie viele der von mir vorgestellten Tessiner konnte auch der Montagna Magica mit sehr lebendiger und raffinierter Säure punkten. Ein großes Plus der Jahrgangs 2013.

Ähnlich begeisternd fand ich die drei unterschiedlichen Jahrgänge des Pio della Rocca aus 2010, 2011 und 2012 von Adriano Kaufmann. Alle drei präsentierten sich durchweg verscheiden. Der 2010 zeigte sich derb jung, gewaltig raffiniert, sehr frisch und wunderbar schlank. Der 2011 war viel zugänglicher, weicher und etwas fülliger. Der 2012 war noch sehr hart, wild, nahezu dramatisch und kraftvoll. Alle drei zeigten ohne Probleme sehranständige ***** Qualitäten. Und vielleicht auf die ferne Zukunft gesehen auch noch mehr. Wie man das bei den Weinen von Adriano Kaufmann erwarten darf! Nebenbei erwähnt konnte ich mir auch einen kurzen Eindruck verschaffen was Tessiner Merlots & Co. in einem etwas fortgeschrittenen Alter so leisten können. Bei einer Sonderpräsentation zeigten der der Orizzonte 2005, der Montagna Magica 2005 und der Balin 2005. einfach nur ein Me(eh)r an begeisternder Qualität!

Besagter Balin kommt von einem weiteren „Klassiker“ des Tessins. Kopp von der Crone Visini's Weine zeigten sich im Vergleich zu den drei vorigen sicherlich etwas „moderner“, weicher und holzbetontbetonter. Neben dem gewaltigen, tanninharten, kräutrig-dunkelbeerigen Balin 2013 gefiel mir auch der leicht seidige, angenehm würzige und eher holzschwächere Gota 2013 und das ungewöhnlich peffrig-wilde und sehr intensive Cuvée Irto 2013 aus Arinaroa, Cabernet Sauvignon, Petit Verdot und Merlot. Alles drei machten auf mich einen sehr anständigen ***** Eindruck.

Abgesehen von diesen klassischen „Bluechips“ des Tessins gefielen mir auch einige Weine der Cantina Pelossi aus Pazzallo und der Tenuta Vitivinicola Trapletti aus Coldrerio. Bei Pelossi stachen für mich der schlanke, eher unkomplizierte und schon rund wirkende Sassarei 2013 und der wesentlich gewichtigere (nicht dick oder schwer), aber dennoch ausgewogen und kühl-würzig wirkende Agra Merlot Riserva 2013 heraus. Letzterer zeigte eindeutige Tendenzen Richtung sehranständigen ***** Qualitäten. Bei Trapletti beeindruckte mich zunächst der anständige **** Trapletti Merlot 2012 aus dem Stahltank. Dieser zeigte wunderbare klare und satte Fruchtaromen ohne kitschig, superfruchtig oder gar geköchelt zu wirken. Ein Inox-Erlebnis das man bei Merlot Weinen nicht all zu oft haben kann. Speziell auf solch einem Niveau. Auch der sehr anständige ***** Tera Creda 2013 zeigte viel Potential und Charakter. Viel mehr Kraft konnte dieser auch bieten. Bei Culdrée 2012 konnte ich leider nicht mehr die geforderte Zungenkonzentration aufbringen. War mein letzter Merlot des Nachmittags. Nach an die hundert Weinen vergebe ich mir dafür mal selber. Doch den Nebbiolo 2011 - hatte noch nicht sehr viele Nebbioli aus dem Tessin – sollte ich noch erwähnen. Dieser zeigte satte, recht weiche und klare rebsortentypische Aromen. Ich würde ihn eher als einen genügsamen Genossen bezeichnen bei dem die nebbiolische Wildheit nicht all zu sehr ins Gewicht fiel. Für mich eine neue, aber sicherlich anständige **** Erfahrung. Von den in Deutschland bekannteren großen „Platzhirschen“ Brivio Vini und Vinaterri Ticinesi gefielen mir wie eigentlich meistens nur die gehoben-mittleren Qualitäten wie der Riflessi d'Epoca 2013 und der Ligornetto 2012. Die höherwertigen Weine waren mir persönlich zu warm, zu weich und zu alkohol-mächtig. Zugegeben eine unzureichend grob umrissene Stilistik die nicht wenige Weine von so manchem hier nicht erwähnten Tessiner Weingut andeuteten. Wie dem auch sei. Auch die allermeisten Tessiner Weine haben mir sehr gefallen!

Puuhh, jetzt ist es geschafft! Falls ihr überhaupt so lange durchgehalten habt!? Natürlich sind die Eindrücke wieder viel zu kurz gefasst und komplett unzureichend formuliert. Von den Auslassungen der vielen Weine die vermutlich ebenfalls potentiell tollen Qualitäten zeigten gar nicht zu reden. Ich freue mich schon auf die nächste Edition von „SchweizerAllerlei“.

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