Schon eine geraume Weile seit meinem
letzten „Schweizer Allerlei“ Verkostungsbericht her, odr! Leider
... „Schuld“ mag wohl die sich für mich wein-fatal auswirkende
Aufhebung der Mindestwechselkursbindung zum schwachen Euro sein.
Demnach konnte ich in den vergangenen Monaten zur Steigerung der eher
reserviert-dynamischen 1,8 prozentigen Exportrate Schweizer Weins
kaum etwas beitragen. Zu meinem Glück gab es am vergangenen Montag
ein weiteres Mémoire & Friends Grand Tasting der Swiss Wine
Connection im altehrwürdigen Kongresshaus zu Zürich. Wohl einer der
besten Möglichkeit eines jeden Jahres bzw. Jahrgangs literweise neue
Eindrücke in Sachen Schweizer Wein zu absorbieren. Bei über 170
anwesenden Weinproduzenten aus allen Landesteilen und einem gerade
mal fünfstündigen Verkostungszeitfenster aufgrund Fehlplanung
meinerseits, musste ich bei dem dieses jährigen Grand Tasting hart
umrissene Prioritäten setzen. Abgesehen von einigen evergreen'isch
anmutenden Vorspeisen weißer Couleur
von Louis Bovard, Luc Massy und der Domaine La Colombe aus dem Waadt
und der einen oder anderen süßen Nachspeise in Form von Grain Noble
Marsanne aus dem Wallis musste ich mich dazu anhalten meine bei
leicht mollig warmen Temperaturen geforderte Zungenkonzentration auf
die Roten Schweizer auszurichten. Im Zungenfokus standen in erster
Linie Pinot Noir aus deutschsprachigen Kantonen, dem Wallis und
natürlich der Drei-Seen-Region, Merlot (inkl. Cuvées) aus dem Tessin sowie nur
leider einem reinsortigen Gamay aus dem Kanton Genf. Die zum teil oft
großartigen Syrah aus dem Wallis und der restlichen Romandie musste
ich leider nahezu auslassen. Am Rande erwähnt seinen aber die viel
versprechenden und durchweg kühl-kernig wirkenden 2013er Syrah von
Simon Maye, Histoire d'Enfere und der Domaine Les Hutins. Zugegeben
keine wirklich großen Überraschungen für Kenner der Schweizer
Weinszene. Ich muss vorwarnen, dass es zu ähnlichen
Nicht-Überraschungen für besagte Fachleute im weiteren Verlauf
meines kurzen Verkostungsberichts kommen wird. Bevor ich nun im
Stakkatostil meine Eindrücke wiedergeben möchte, sollte ich darauf
hinweisen, dass ich mich nur auf meine rein subjektiven und positiven
Zungenerlebnisse beschränken möchte. Eine weitergehende
Auseinandersetzung mit so mancher Enttäuschungen von mir bekannten
und unbekannten Erzeugnissen würde an dieser Stelle ganz einfach den
Rahmen sprengen.
Wie es bei mir nicht weiter
verwunderlich sein dürfte, drängt es mich mit den helvetischen
Pinot Noirs beginnen zu müssen. Am naheliegenden ist da die
Deutschschweiz. Allen voran natürlich die aktuellen Editionen aus
Graubünden. Meine beiden Highlights, ein überraschendes und ein
über die Jahre bestätigendes, waren zum einen der Pinot Noir
Barrique Jenins 2013 von Weinbau Annatina Pelizzatti aus Jenins und
zum anderen die gesamte Blauburgunderkollektion von Weinbau von
Tscharner in Reichenau. Meiner Ansicht nach zeigte sich der Pinot
Noir Barrique Jenins 2013 von Annatina Pelizzatti weitaus eleganter
und balancierter, insbesondere hinsichtlich des fein abgestimmten
Holzeinsatzes, als in den mir bekannten Jahrgängen zuvor. Für mich
ohne Zweifel ein sehr anständiger ***** Pinot Noir mit Kraft,
Dichte, eher etwas dunkler Frucht und sich ankündigenden
ansprechender Balance. Im Gegensatz zu vielen anderen Classic Pinots
aus Graubünden gefiel mir auch Pelizzatti's Ausgabe aus 2014. Trotz
einem vermutlich schwierigem Jahrgang zeigte dieser durchweg
vielversprechendene Ausgewogenheit und nicht zu „intensive
Leichtfruchtigkeit“ wie bei Weinen anderer Hersteller aus dieser
Kategorie. Meiner Ansicht nach absolut anständig **** Pinot Noir.
Das über die Jahre sich bestätigende
Highlight waren die Weine von Gian-Battista von Tscharner.
Insbesondere der gewichtige, dichte, ziemlich sicher wilde, extrem
junge und trotz aller Eigenheiten super gelungene Churer
Blauburgunder Gian-Battista aus 2010. Ich nehme an, dass dieser eher
zur Schwere neigende Pinot stark von der jahrgangsbedingten Säure
profitiert hat. Eigentlich auf die Zukunft gesehen ein fantastischer****** Pinot Noir. Neben diesem Schwergewicht, dass noch viele Jahre
auf der Flasche reifen darf, hat mir sogar der Jeninser Blauburgunder
Mariafeld 2010 gefallen. Trotz der mir nicht so sehr ans Herz
gewachsenen zur Fruchtigkeit neigenden Mariafeldklone zeigte dieser
etwas leichtere und nicht zu fruchtbetonte Pinot Noir das aus solchen
Klonen auch vielschichtige Weine hergestellt werden können. Ganz
klar ein anständiger **** Blauburgunder mit viel regionalem
Charakter.
Sonstige Bündner Pinot Noirs die mich
überzeugen konnten waren die durchweg unterschiedlichen und sehr
seriös wirkenden Malanser Pinots Selvenen, Fidler und Spielmann aus
2013 vom Weingut Georg Fromm. Alle zeigten für mich anständige ****
bis sehr anständige ***** Qualitäten. Auch der Eichholz 2013 vom
Weingut Eichholz Irene Grünenfelder zeigte im Gegensatz zum Alte
Reben 2013, der mächtiger und holzbetonter daherkam, raffiniert
abgestimmte Finesse, dennoch hintergründige Kraft und
ansprechenderen Holzeinsatz. Ähnlich positiv empfand ich den
Monolith 2013 vom Weingut Obrecht. Dieser zeigte zwar mehr Kraft und
mehr Holz - beide aber tendenziell gebändigt – und dazu
überzeugende Dichte. Ich hatte schon Monolithen im Glas die sich als
wesentlich ausufernder darstellten. Auch diese beiden zeigten für
mich anständige **** bis sehr anständige ***** Qualitäten. Ganz
sicher erwähnenswert war auch Christian Hermann's Pinot Noir H aus
dem Jahr 2010. Dieser geht seinen Weg und überzeugt mit jeder
Verkostung mehr und mehr. Ganz klar ein sehr anständiger ***** Pinot
Noir der sich erstaunlich elegant und schlank für ein so
konzentrierten Wein aus dem Halbbarrique
präsentierte.
Aus der restlichen Deutschschweiz
konnten mich, wie schon an unterschiedlichen Stellen in meinem Blog
mehrfach erwähnt, so manche Pinots der Weingüter Schlossgut
Bachtobel aus dem Thurgau, Weinbau Lüthi, Weingut Familie Zahner und
der Winzerei zur Metzg aus dem Kanton Zürich überzeugen. Alle
Pinots waren sehr unterschiedliche und manches mal recht kraftvoll
oder auch ein wenig zu kraftvoll vielleicht. Ganz vorne war für mich
sicherlich der Pinot Noir No. 3 2013 von Bachtobel. Ein sehranständiger ***** und durchweg ausgewogener, elegant wirkender Pinot
Noir ohne übermäßige Holzprobleme und angenehm abgestimmter
Fruchtigkeit. Manche Züricher, abgesehen vom Truttiker Pinot Noir
Barrique 2011 der sich eher feiner und raffinierter präsentierte,
hatten da schon einiges mehr Holz und Kraft zu bieten.
Vielversprechend waren die meisten Pinots der erwähnten Weingüter
dennoch allemal. Schade fand ich, dass mein persönlicher Thurgauer
Favorit, das Weingut Broger, dieses Jahr nicht an dem Grand Tasting
teilgenommen hat. Ein weiterer Grund mehr für eine zukünftige Reise
an den Bodensee.
Bei den Pinot Noirs von der anderen
Seite des Röschtigrabens gefiel mir natürlich der kühle, druckvoll
intensive, dennoch filigran wirkende, dunkelfruchtige und durchweg sehr anständige ***** Grain Pinot
Champ Dury 2014 (Fasssprobe) von Marie-Thérèse Chappaz. Leider habe
ich es wegen meinem voreiligem Anstürmen der Tessiner Ständen
versäumt weitere Pinots aus dem Wallis zu verkosten. Doch andere
sehr beachtliche Pinots, die eher in meine präferierte Stilistik
hineinspielen mögen, kamen aus der Region um Neuenburg. Diese möchte
ich keinesfalls unterschlagen. Hier gefielen mir in erster Linie die
Pinot Noirs d'Auvernier 2012 und d'Hauterive 2013 von der Domaine de
La Maison Carrée. Der Pinot Noir d'Auvernier 2012 war durchweg
elegant, super schlank, duftig, sehr klar, feingliedrig und seriös
tief-kalkig. Ohne Probleme ein sehr anständiger ***** Pinot Noir zu
erstaunlich niedrigem Preis den ich mir in nächster Zeit nochmal
etwas genauer anschauen werde. Aber auch der ernsthafte Pinot Noir
élevé en barrique von dem Caves du Château d'Auvernier 2012 und
der delikat voluminöse, kräftige, sanst anmutende und fein
holzwürzige Pinot Noir Cuvée Charlotte l'Esprit de Chambleau 2013
vom Caves de Chambleau in Colombier zeigten ganz eindeutig anständig**** ansprechende Qualitäten. Aus dem Waadt und aus dem Kanton Genf
konnte ich leider keine reinsortigen Pinot Noirs verkosten.
Insbesondere bedauere ich den anscheinend sehr ambitionierten P 2012
von der Domaine Grand'Cour verschwitzt zu haben. Naja, dafür gefiel
mir der schon angekündigte Gamay. Dieser leichte, unkomplizierte und
dennoch intensive Gamay La Briva VV 2014 kam von der Domaine Les
Hutins. Auch er zeigte überzeugend anständige **** Qualitäten.
Zum Abschluss, aber eigentlich im
Zentrum meiner diesjährigen Zungenkonzentration standen die Weine
des Tessins. Wie schon einmal in diesem Text angedeutet haben auch
hier die anwesenden „Klassiker“ unter den Tessiner Winzern am
meisten Begeisterungspotential in mir entfacht. Allen voran die
filigranen und spannungsgeladenen Weine von Terraferma Zündel aus
Beride. Sogar die beiden sehr unterschiedlichen Chardonnays Velabona
und Dosso aus 2013 gefielen mir sehr. Der Velabona zeigte sich etwas
kerniger, kühler und mineralischer. Der Dosso war ein wenig weicher,
blumiger und schlanker. Beide zeigten für mich durchweg anständige**** bis sehr anständige ***** Qualitäten. Der kühle, elegante,
superschlanke, tanninstarke und sehr dicht gewobene Orizzonte 2013
konnte mich trotz seiner jugendlichen Aufmüpfigkeit und
Verschlossenheit sehr überzeugen. Sicherlich ein sehr anständig***** Merlot mit Tendenz zum fantastischen ******. Sehr gefallen
haben mir auch die etwas gewichtiger wirkenden und minder
tanninintensiven Castelrotto Villa 2013 (schwer, kernig, vielleicht
sogar etwas karg, würzig) und Ronco-Castelrotto Sass 2013 (etwas
„dicklicher“, weicher und schmeichlerischer). Beide zeigten für
mich durchweg sehr anständige ***** Qualitäten.
Weitere Weine eines „Klassikers“
die mir sehr zusagten kamen von Daniel Huber aus Termine. Sowohl
seine Merlots Vigneti di Castello 2013 und Ronco di Persico 2013 als
auch seine Cuvées Costera Riserva 2013 (Merlot, Cabernet Franc,
Petit Verdot und Carminoir) und natürlich der Montagna Magica 2013 (Merlot und Cabernet Franc)
konnten mich überzeugen und letzerer potentiell auf die Zukunft gesehen total
begeistern. Alle diese meines erachtens sehr anständigen ***** Weine wirkten im Vergleich zu 2012 etwas schlanker,
karger, sicherlich noch verschlossener als sonst in der Jugend üblich
und ernsthafter. Allen vorweg begeisterte mich der kraftvolle,
dichte, wunderbar würzige auf potentiell fantastische ******
Qualitäten zustrebende Montagna Magica 2013. Wie viele der von mir
vorgestellten Tessiner konnte auch der Montagna Magica mit sehr
lebendiger und raffinierter Säure punkten. Ein großes Plus der
Jahrgangs 2013.
Ähnlich begeisternd fand ich die drei
unterschiedlichen Jahrgänge des Pio della Rocca aus 2010, 2011 und
2012 von Adriano Kaufmann. Alle drei präsentierten sich durchweg
verscheiden. Der 2010 zeigte sich derb jung, gewaltig raffiniert,
sehr frisch und wunderbar schlank. Der 2011 war viel zugänglicher,
weicher und etwas fülliger. Der 2012 war noch sehr hart, wild,
nahezu dramatisch und kraftvoll. Alle drei zeigten ohne Probleme sehranständige ***** Qualitäten. Und vielleicht auf die ferne Zukunft
gesehen auch noch mehr. Wie man das bei den Weinen von Adriano
Kaufmann erwarten darf! Nebenbei erwähnt konnte ich mir auch einen
kurzen Eindruck verschaffen was Tessiner Merlots & Co. in einem
etwas fortgeschrittenen Alter so leisten können. Bei einer
Sonderpräsentation zeigten der der Orizzonte 2005, der Montagna
Magica 2005 und der Balin 2005. einfach nur ein Me(eh)r an
begeisternder Qualität!
Besagter Balin kommt von einem weiteren
„Klassiker“ des Tessins. Kopp von der Crone Visini's Weine
zeigten sich im Vergleich zu den drei vorigen sicherlich etwas
„moderner“, weicher und holzbetontbetonter. Neben dem gewaltigen,
tanninharten, kräutrig-dunkelbeerigen Balin 2013 gefiel mir auch der
leicht seidige, angenehm würzige und eher holzschwächere Gota 2013
und das ungewöhnlich peffrig-wilde und sehr intensive Cuvée Irto
2013 aus Arinaroa, Cabernet Sauvignon, Petit Verdot und Merlot. Alles
drei machten auf mich einen sehr anständigen ***** Eindruck.
Abgesehen von diesen klassischen
„Bluechips“ des Tessins gefielen mir auch einige Weine der
Cantina Pelossi aus Pazzallo und der Tenuta Vitivinicola Trapletti
aus Coldrerio. Bei Pelossi stachen für mich der schlanke, eher
unkomplizierte und schon rund wirkende Sassarei 2013 und der
wesentlich gewichtigere (nicht dick oder schwer), aber dennoch
ausgewogen und kühl-würzig wirkende Agra Merlot Riserva 2013
heraus. Letzterer zeigte eindeutige Tendenzen Richtung sehranständigen ***** Qualitäten. Bei Trapletti beeindruckte mich
zunächst der anständige **** Trapletti Merlot 2012 aus dem
Stahltank. Dieser zeigte wunderbare klare und satte Fruchtaromen ohne
kitschig, superfruchtig oder gar geköchelt zu wirken. Ein
Inox-Erlebnis das man bei Merlot Weinen nicht all zu oft haben kann.
Speziell auf solch einem Niveau. Auch der sehr anständige ***** Tera
Creda 2013 zeigte viel Potential und Charakter. Viel mehr Kraft
konnte dieser auch bieten. Bei Culdrée 2012 konnte ich leider nicht
mehr die geforderte Zungenkonzentration aufbringen. War mein letzter
Merlot des Nachmittags. Nach an die hundert Weinen vergebe ich mir
dafür mal selber. Doch den Nebbiolo 2011 - hatte noch nicht sehr
viele Nebbioli aus dem Tessin – sollte ich noch erwähnen. Dieser
zeigte satte, recht weiche und klare rebsortentypische Aromen. Ich
würde ihn eher als einen genügsamen Genossen bezeichnen bei dem die
nebbiolische Wildheit nicht all zu sehr ins Gewicht fiel. Für mich
eine neue, aber sicherlich anständige **** Erfahrung. Von den in
Deutschland bekannteren großen „Platzhirschen“ Brivio Vini und
Vinaterri Ticinesi gefielen mir wie eigentlich meistens nur die
gehoben-mittleren Qualitäten wie der Riflessi d'Epoca 2013 und der
Ligornetto 2012. Die höherwertigen Weine waren mir persönlich zu
warm, zu weich und zu alkohol-mächtig. Zugegeben eine unzureichend
grob umrissene Stilistik die nicht wenige Weine von so manchem hier
nicht erwähnten Tessiner Weingut andeuteten. Wie dem auch sei. Auch
die allermeisten Tessiner Weine haben mir sehr gefallen!
Puuhh, jetzt ist es geschafft! Falls ihr überhaupt so lange durchgehalten habt!? Natürlich sind die Eindrücke wieder viel zu kurz gefasst und komplett unzureichend formuliert. Von den Auslassungen der vielen Weine die vermutlich ebenfalls potentiell tollen Qualitäten zeigten gar nicht zu reden. Ich freue mich schon auf die nächste Edition von „SchweizerAllerlei“.
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