Nach ungesund langer Abwesenheit führt
mich meine Zunge heute endlich mal wieder in das Willamette Valley!
Da es sich beim heutigen Wein um einen Pinot Noir aus dem
ungewöhnlichen Jahr 2011 handelt, möchte ich heute auch etwas
ungewohnt mit einem Zitat beginnen:
„In 2011 we experienced the coolest
growing season since the birth of Oregon’s wine industry in the
1960s. Fortunately, autumn rain held off allowing us to harvest dry
fruit from mid - October into early November – our latest harvest
ever. Long, slow flavor development is what winemakers hope for, and
we got it in spades. Cool - vintage wines retain lots of acidity.
That’s a good thing. Acidity makes the wine bright, food friendly
and long - lived in the cellar. Our 2011 wines are full of elegant,
old world complexity and character.“
Meiner – zugegeben kaum anhand
erwähnenswerten Zungenerfahrungen belegbarer – Meinung nach, gibt
diese Einschätzung von Shea Wine Cellars die Verhältnisse im Jahr
2011 ziemlich gut wieder. Wobei die Aussage des letzten Satzes sich
gleich noch zeigen dürfte.
Aber jetzt nochmal von vorne! Wie
gewohnt: Bei meinem heutigen „Pinot weit weg“ handelt es sich um
den Estate Pinot 2011 von dem eben schon erwähnten Produzenten Shea Wine
Cellars. Hergestellt wurde dieser aus zwölf unterschiedlichen Blocks
des mittlerweile in Oregon sehr berühmten ca. 55 ha großen Shea
Vineyard nahe Newberg zwischen den AVAs Dundee Hills und Yamhill-Carlton. Doch nur in etwa 25 % der Ernte werden von
Shea Wine Cellars selber in meist fünf unterschiedlichen Pinots verwertet. Wie in den USA nicht unüblich
wird der große Teil der Trauben an andere Weinproduzenten in Oregon
und sogar in Kalifornien verkauft (bzw. nach spezifischen Kundenvorgaben auch
kultiviert). Jetzt aber wirklich zurück zu meinem Pino! Geerntet wurde das
Traubenmaterial zwischen dem 23. Oktober und 2. November 2011. Sogar
für oregonesischen Verhältnisse eine recht späte Ernte würde ich meinen. Bei den
geernteten Klonen handelte es sich hauptsächlich um Wädenswil- (was
man meiner nicht ganz so unerfahrenen Meinung nach klar spürte) und
Pommardklone. Aber auch einige eher jüngere Dijon Klone 777, 114 und
115 haben den Weg für den Estate in die Presse gefunden. Ausgebaut
wurde er in zu 48 % neuem französischem Holz. Genug der Informationen!
Nach so langer Oregon Pinot Durststrecke sollte ich es mit meiner
zielfreien Info-Ansammlung nicht übertreiben:
Die mittleren rubinroten Reflexe die
mir aus meinem Glas entgegenblinzelten erwiesen sich als sehr
glänzend, farbbeständig und von angenehm leichtflüssiger Viskosität geprägt.
In der Nase erwies sich der Shea Vineyard Pinot in den
ersten beiden Stunden als ziemlich verschüchtert und nicht
sonderlich duftwillig. Vom wohnten „Oregon Funk“ war in dieser Phase eher wenig zu spüren. Die sich entwickelnden, mehrheitlich vermeintlichen Kirscharomen
waren eher eisern und kühl, der Rauch minimal, sowohl der Wacholder
als auch der Wermut eher ideebedingt und die anfänglich vernommene
Schuhcreme glücklicherweise kontinuierlich abbauend. Nach einigen
Stunden der Luftzufuhr zeigten sich weich anmutende Aromen die hauptsächlich an
saftige Pflaumen erinnerten. Diese wurden von einem zurückhaltenden
Potpourri an Waldbeeren unterstützt. Auch das eine oder andere
eleganzversprühende Veilchen zeigte was für eine schüchterne Kraft in ihm steckte.
Am
Gaumen war der Oregonese „typischer“ und sicherlich wesentlich
mitteilungsfreudiger. Sehr saftige und fruchtbetonte, mir bisweilen
etwas zu saftige und vielleicht auch zu fruchtsüße, Aromen die an
dunkle Kirschen und Pflaumen(eiscreme) erinnerten, prägten das Geschmacksbild
in den ersten beiden Stunden. Eine intensive Fruchtkraft die
möglicherweise von einem Überhang an zur Fruchtigkeit neigenden
Wädenswilklonen hergerührt haben dürfte. Neben dieser anfänglichen Fruchtkraft zeigten sich auch Aromen
die nicht fern von Pfeffergewürzmischungen, feuchtem Waldboden,
etwas Milchschokolade, recht flacher Bodenprägung und einer Spur
Vanille angesiedelt waren. Glücklicherweise entwickelte sich dieses eher
jugendlich-fruchtkraft-nervöse Geschmacksbild mit den Stunden zu einer etwas
unaufgeregteren, sehr gut balancierten und schon fast erhabeneren Pinotigkeit.
Frisch, wunderbar trinkig und hervorstechend sympathisch zeigte er sich von Beginn
an. Sein Tannin kam mir leider für sein jugendliches Alter ein
wenig semi-spannungsbefreit vor. Auch die Spannung am Mittelgaumen
hätte meiner Meinung nach bei einem Wein dieser Preisklasse etwas
ausgeprägter sein dürfen. Das leicht spürbare Holz machte mir in
diesem Fall weniger Probleme.
Ob dieser Pinot Noir nun wie im
Eingangszitat angeführt: „ ... full of elegant, old world
complexity and character“ war, würde ich so nicht unterstreichen
wollen. Dafür habe ich schon viel zu viele Oregon Pinots probiert die einer solchen Beschreibung wesentlich näher kamen. Naja, dieses Statement mag auch damit zusammenhängen das Shea in „besseren“
Jahrgängen gerne wesentlich reichhaltigere und alkoholstärkere
Pinots (dieser hatte nur 13 %) produziert als es mir persönlich lieb ist. Gefallen habe ich an ihm dennoch gefunden. Insbesondere am zweiten Tag konnte mich seine
schmeichelnde Unaufgeregtheit überzeugen. Daher lasse ich mich
gerade noch zu einem sehr anständig ***** hinreißen.
No comments:
Post a Comment