Im Normalfall versuche ich stets den
Leser meiner Artikel, Verkostungsnotizen oder sogar bei
wirklich Wichtigem ;-) nicht mit belanglosen persönlichen Gefühlsregungen oder
biographischen Nichtigkeiten zu langweilen. Heute muss ich diese
Grundhaltung etwas aufweichen, da es heute um einen Wein gehen soll,
der gedankliche noch immer nachwirkende Sedimente an meinem Gaumen
hinterlassen hat. Ich meine natürlich nicht genau exakt diesen Wein. Ich meine
vielmehr eine Edition aus grauer prä-bloggosphärischer Vorzeit.
Es mag nunmehr um die neun Jahre her
sein als ich den Hamilton Russell Vineyards Pinot Noir 2001 im
virginen Zustand, im damals gerade noch jugendlichem Unverstand, mir
die Kehle runter kippte. Auch damals schon, war neben einer
ungesunden und verderbenden Sozialisation mit reichlich vielen
Bordelaisern Weinen, meine Prä-Pinot-Destination evident. Doch mit
Pinot Noirs aus der Neuen Welt kam ich bis zu diesem prägendem und
nachhaltigen Erlebnis nur wenig in Kontakt. Was nun letztlich so
prägend an diesem „Ur-Pinot-weit-weg“ war ist heute nur noch von belangloser Bedeutung und bestenfalls mit grauenvoll schmalzigen und lückenhaften Erinnerungen widergebbar. Diesen Anschlag in From von schlimmst möglicher Weinlyrik erspare ich dem geschätzten Leser sehr gerne. Nur soviel: es war sicherlich sehr schön! Genug dem Gesülze! Jetzt gibt es
Flüssiges ... sogar mehr als nur den "Ur-Pinot-weit-weg"!
Im Jahre 1975 machte sich der
Werbefachmann Tim Hamilton Russell auf an den südlichsten Zipfel von
Südafrika, in das Hemel-en-Aarde Valley in Walker Bay, mit der Absicht Cool-Climate Pinot Noir
und Chardonnay Weine herzustellen. Weine die es bis dato in dieser Form in Südafrika noch nicht gab. Die ersten eineinhalb Jahrzehnte
waren nicht ganz einfach. Viele Rückschläge und die damals noch
verwendeten Swiss BK5 Klone machten das Leben schwer. Im Jahr 1991
begann Tim's Sohn Anthony die Geschicke des Weingutes in seine Hände
zu nehmen. Dank der beginnenden politischen Aufhellung in Südafrika
wurde es möglich das nun hochwertigere Dijon Klone in
vorteilhafteren Lagen (reichhaltige rötliche Tonböden im Eisenablagerungen
und gen Norden etwas Schiefer) angepflanzt werden konnten. Heute werden auf
ca. 22 ha Pinot Noir und ca. 28 ha Chardonnay Reben kultiviert. Unter
dem Namen Southern Right werden mittlerweile auch Sauvignon Blanc und
Pinotage Weine am Markt angeboten.
Die Farbe des Hamilton Russell Pinot
Noirs 2007 war wie man sie sich bei einem Pinot Noir idealtypisch
vorstellen mag. Rubin rot, vitale Reflexe, kaum Verfärbungen am Rand
und schöne Transparenz. Die Nase brauchte ca. zwei Stunden in der
geöffneten Flasche um auf touren zu kommen. Zunächst wirkte sie
zwar feingliedrig aber etwas sehr fruchtig, leicht süßlich, insgesamt leicht monoton und eher zurückhaltend. Später entwickelte sich der nasale
Eindruck hin zu wesentlich mehr Komplexität und Ernsthaftigkeit. Nun zeigten
sich ausgeprägte Aromen von reifen Himbeeren, hellen Kirschen, einem
vermutbaren Etwas an roten Johannisbeeren, nicht zu wenig Erdigkeit,
Spuren von Vanille sowie gut abgestimmte Düfte die an Nelken, Leder
und feuchtes Unterholz erinnerten. Am Gaumen benötigte er ebenfalls
um die zwei Stunden um richtig aufzuwachen. Die Säure wirkte
vergleichsweise mild. Dies mag dazu geführte haben, dass ich den
2007er als etwas dicklicher und reichhaltiger empfand als ältere
Ausgaben. Trotzdem hatte er strukturell nur wenig von einem Neue Welt
Pinot Noir an sich wie man sich einen solchen viel zu oft gerne vorstellen mag. Ein
Schreihals, eine Fruchtbombe oder ein aufgeblasener Poser war der Wein meiner Meinung nach zu keinem
Zeitpunkt. Muskel, Kraft und "sanften" Druck zeigte der Hamilton Russell schon. Doch immer auf eine bescheidenen und zurückgefahrene Weise. Die Aromen zeigten sich mit der Nase mehrheitlich
deckungsgleich. Insgesamt wirkten diese hier etwas
metallisch-streng-eleganter und weniger leichtfüßig-fruchtig-schwingend wie in der Nase. Auch ein
erstaunlich mineralisch – von mir aus auch salzig – wirkender
Unterton sollte nicht unerwähnt bleiben. Alles in allem sicher nicht mein
bester Pinot Noir von Hamilton Russell. Dennoch ohne größere innere
Diskussionen und sonstartigen Abwegungen ein sehr anständiger ***** Wein! Ich bin mir sicher, dass ihm noch einige Jahre in der Flasche gut tun werden.
Neben der Begegnung mit der zündenden
palatalen "Pinot weit weg" Vergangenheit gab es einen Centgrafenberg R
Spätburgunder 2003 vom Weingut Fürst. Dieser überraschte mich mit
seiner für den Jahrgang eher untypischen relativ frischen und kühlen
Art. Die Frucht wirkte auf mich zwar etwas aufgesetzt und ein Tick
zuckrig-kitschig, doch richtig anständig **** war er allemal. Der
vom Weingut Keller aus Flörsheim-Dalsheim stammende Spätburgunder
Bürgel Felix 2001 erschien mir strukturell recht einfach gestrickt,
glücklicherweise erwies er sich verhältnismäßig leicht und nicht voll von überreifer Frucht. Letztlich war dies aber egal, weil er leider von einem leichten
Korkgeschmack verdorben wurde. Leicht enttäuschend aufgrund seiner etwas
starken Alterung wirkte der Gevery-Chambertin En Jousie 2002 der
Domaine Harmand-Geoffroy. Das Tannin war richtig kaffeepulver-staubig und die Aromen zwar
ziemlich wild, sehr ländlich, etwas stählern und burschikos, doch
insgesamt ziemlich ausgezehrt. Die Flasche stammte aus nicht
sonderlich guter Lagerung. Leider nur so la-la ***. Der Höhepunkt
des Abends, wie es nicht weiter überraschen mag, war der Clos Saint
Jacques 1992 von der Domaine Armand Rousseau. Trotz des hohen Alters
und des zweifelhaften Jahrgangs konnte der Wein mit einer
Strahlkraft, Dichte, typischen und ganz sicher unbeschreiblichen Rousseau-Klarheit sowie seiner eleganten Intensität überzeugen. Diese lässt nur ein fantastisch ****** als Schlussfolgerung zu (leider ist die Flasche auf dem Foto nicht mehr zu sehen da ein dem Leergut zugeneigter Freund zugeschlagen hat)! Zum
erfrischenden Abschluss gab es noch einen Gimmeldinger Mandelgarten
Riesling Spätlese trocken 1993 vom Weingut Müller-Catoir in der
Pfalz. Der Riesling hatte Dichte, Leben, etwas weniger Frische als
gehofft, netten Rauchakzent und ein gutes Potpourri an recht süß wirkenden gelben
Früchten. Ein anständiger **** Abschluss für einen durchaus
gelungenen Abend mit einem alten liquiden Freund!
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