Es ist heiß! Ich liebe es! Ab 35 Grad
Celsius erwacht mein Kreislauf erst so richtig
und entwickelt so manche Neigung zu diversifizierendem Aktionismus, der
diesem sonst im Übermaße fremd ist. Der einzige Nachteil
für mich, und nicht für meinen Kreislauf, bei solch einer Hitze
sind die abträglichen Umweltbedingungen beim Genießen von Weinen
meiner stark bevorzugten Rebsorte: Pinot Noir. Abgesehen vom
Verschanzen im Keller oder dem Hochfahren einer nicht vorhandenen Klimaanlage habe ich noch keine akzeptable Möglichkeit für
mich erarbeiten können, die zu einem erhöhten Pinot-Genuss bei
Hitzewellen geführt hätte. Doch glücklicherweise gibt es die
Vergangenheit und die Erinnerungen an diese. In solch einer vor guten vier Wochen passierten, als noch pinot-freundlichere Zeiten herrschten,
haben sich einige freundschaftlich verbundene und wichtiger kompetente Weinnasen - und ich, der wirklich nichts
Erhellendes oder kompetentes über Wein zu sagen hat, in einer Küche im Zentrum der
„Bronx“ eingefunden um einige amerikanische Pinot Noir Flaschen
ihres Inhalts zu berauben. Ich möchte mich heute nur auf das
„Diebesgut“ eines dieser Flaschen beschränken, da ich die
meisten der anderen schon vor einiger Zeit an entsprechenden Stellen versucht habe zu beschreiben. Eine kurze Erwähnung am Ende soll ihnen trotzdem vergönnt sein. Doch jetzt erst mal nach Mount Harlan ...
Calera, a.k.a. der alte Kalkofen, steht für
den einzigen Erzeuger von Weinen, mehrheitlich Pinot Noir, in der äußerst kleinen, eher
weniger-weinbau-affinen und isolierten Mount Harlan AVA ca. 80
km südlich von San José in Zentralkalifornien. Des weiteren steht
Calera bzw. korrekterweise Mount Harlan für das einzige nennenswerte von Kalkstein durchzogene
Weinbaugebiet in ganz Kalifornien. Stellt sich nun die Frage wie es
dazu gekommen ist, dass an solch einem Ort durchaus spannender
Pinot Noir wächst? Dazu müssen wir etwas zurück in die Vergangenheit. Im
Jahr 1974 begann Josh Jensen, ein Absolvent der auf Landwirtschaft
(und einiges mehr) spezialisierten UC Davis, nach einiger
Arbeitserfahrung im Burgund und Kalifornien mit seiner unbeirrbaren
Suche nach geeigneten Kalksteinlagen in Kalifornien. Weshalb? Ganz
einfach! Er war und ist der unumstößlichen Meinung, dass
herausragender Pinot Noir nur auf Kalksteinboden wachsen kann. Fündig
wurde er am isolierten Mount Harlan im San Benito County. Dieser Berg
war bis dato für Weinbau noch nicht entdeckt worden. Nun, bzw. natürlich damals vor vierzig Jahren, begann er
schlicht und "einfach" voller Experimentierfreude auf bis zu 670 m Höhe seine ersten aus dem Burgund
importieren Pinot Noir Klone anzupflanzen. Zunächst in nur drei
durch ihre Kleinklimata sich sehr unterscheidenden Parzellen.
Mittlerweile verfügt er über sechs Einzellagen-Pinot auf insgesamt
36 Hektaren. Die wurzelechten Reben für meinen heutigen Mills Pinot Noir 1992 wurden
im Jahr 1984 in einer eher heißen gen Süden gerichteten Lage am
Mount Harlan angepflanzt. Dies führt dazu das der Mills zu seinen
kräftigeren und üppigeren Lagen-Pinots zählt. Bei der Arbeit im
Weinberg wie auch im Keller verfolgt Josh Jensen eine
Herangehensweise die man als recht archaisch und zurückhaltend
gegenüber modernen Techniken bezeichnen könnte. Kaltmazeration oder
Entrappung kennen seine Pinots nicht. Alle seine Pinots werden mit
eigenen Hefen ganzbeerig über mehrere Wochen vergoren. Sie zeichnen
sich in ihrer Jugend meistens eher durch viel Tannin und ziemlich
abweisende sowie kernige Aromen aus. Auf der Langstrecke können
diese aber wunderbare komplexe und intensive Aromen entwickeln.
Ausgebaut werden Josh’s Pinots eineinhalb Jahre lang in bis zu 30 %
französischem neuem Holz.
Die Farbe des zwanzig Jahre alten Mills
war durchaus seinem Alter entsprechend – also eher ziegelig als
„klassisch“ Rubinrot. Abgesehen von so manchem Schwebeteilchen
zeigte er eine sehr schöne Transparenz, und die visuellen Eindrücke ergänzend, einen fantastischen Korken. Seine Nase war geprägt von
allerlei braunen und tief reifen Düften. Aufschnappen konnte ich unter
anderem Kaffeepulver, etwas Tabak, fein wirkende Nelken, Brotkruste,
etwas matschige Kirschen und so manche runzelige Tomate. Am Gaumen
wirkte der Wein zunächst etwas überreif und plump, aber dennoch
ansprechend, wenn auch nicht wirklich überzeugend. Nach ca. dreisig
Minuten ging das Aromenspektrum mehrheitlich in die selbe Richtung,
die vorher schon von der Nase vorgegeben wurde. Insbesondere die
tomatig und kirschig wirkenden Überbleibsel von Fruchtaromen waren
sehr schön ausgeprägt. Auch eine gewisse geriatrische Frische
entwickelte sich mit der Zeit in dem Mills. Sein Facettenreichtum, seine
überraschende und nicht vor Kraft strotzende Struktur und sogar ein
Hauch einer einbildbar kalkbodigen Strenge vermochten es, in mir
ein sehr zugeneigtes Gesamtgefühl zu entwickeln. Was mich an diesem
Wein äußerst verblüffte war sein Potential mit länger
andauernden Öffnungszeit noch mehr in Puncto Frische und
Ausgewogenheit zulegen zu können. Das hätte ich so in dieser Form nicht erwartet. Länger als gute zwei Stunden, und
weiterer Beobachtung entzogen, hat der Mills leider nicht überlebt.
Er hat anscheinend auch bei den kompetenten Weinnasen durchaus Anklang
finden können. Insgesamt ein sehr anständiger ***** Pinot Noir der
jetzt so langsam geleert werden sollte.
Die Abordnung aus dem schönen mir mehr vertrauten Oregon beinhaltete
drei ziemlich unterschiedliche (und so bewusst ausgewählte) Pinot Noirs.
Der Artberry Maresh Dundee Hills Pinot Noir 2007 zeigte sich im
Vergleich zur letzten Verkostung etwas plumper und leicht
lebensentsagend. Dieses mal konnte er mich nicht mit seiner floralen
Frische, seidigen Eleganz und würzigen „Oregon Funk“igen Art
überzeugen. Daher für diese Flasche nur ein anständig ****. Könnte
sein, dass der Artberry während des Flaschenlagers etwas Luft gezogen hat. Der Korken sah ein
wenig verdächtig aus. Dagegen wirkte der Eyrie Vineyards Dundee Hills Pinot Noir 2007 im Vergleich zum letzten Mal wesentlich
raffinierter, dichter und ausgewogener. Insbesondere seine Länge und anspruchsvolle Struktur konnte für ein "Village" Wein durchweg überzeugen. Er war mein Liebling derVerkostung. Ganz klar ein sehr anständiger ***** Pinot Noir mit eindeutigen Dundee Hills Attributen.
Der Patricia Green Cellars Whistling Ridge Vineyard Pinot Noir 2007
aus der Ribbon Ridge AVA fand bei den anwesenden kompetenten Weinnasen nicht das
größte aller Gefallen. Meines wohl auch nicht so wirklich. Es war der bei weitem
der am stärksten parfümierte, etwas aufdringliche, reichhaltigste, auf
fette Frucht bauende und fleischigste Pinot Noir der Verkostung. Noch
wesentlich mehr als alle andern Pinots die ich von Patty bis jetzt
verkosten konnte. Man könnte schreiben: es war der Pinot, der aus
europäischer Sicht der Erwartungshaltung nach neuweltlicher
Struktur und Aromatik voll und ganz entsprach. Für mich war der
Wein dennoch ein anständiger **** Pinot Noir, da er sich bei aller
strukturellen und aromatischen Adipositas eine gewisse Balance behalten hat welche mir gefiel. Es war für mich ganz sicher kein unharmonischer,
exzessiver oder chimärenhafter Pinot Noir wie er in neuer, wie auch alter Welt nicht selten vorkommen mag. Tolle Verkostung und schöne Erinnerungen aus pinotfreundlicheren Zeiten ...
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