11.6.14

Calera Wine Company Mills Pinot Noir 1992, Mount Harlan



Es ist heiß! Ich liebe es! Ab 35 Grad Celsius erwacht mein Kreislauf erst so richtig und entwickelt so manche Neigung zu diversifizierendem Aktionismus, der diesem sonst im Übermaße fremd ist. Der einzige Nachteil für mich, und nicht für meinen Kreislauf, bei solch einer Hitze sind die abträglichen Umweltbedingungen beim Genießen von Weinen meiner stark bevorzugten Rebsorte: Pinot Noir. Abgesehen vom Verschanzen im Keller oder dem Hochfahren einer nicht vorhandenen Klimaanlage habe ich noch keine akzeptable Möglichkeit für mich erarbeiten können, die zu einem erhöhten Pinot-Genuss bei Hitzewellen geführt hätte. Doch glücklicherweise gibt es die Vergangenheit und die Erinnerungen an diese. In solch einer vor guten vier Wochen passierten, als noch pinot-freundlichere Zeiten herrschten, haben sich einige freundschaftlich verbundene und wichtiger kompetente Weinnasen - und ich, der wirklich nichts Erhellendes oder kompetentes über Wein zu sagen hat, in einer Küche im Zentrum der „Bronx“ eingefunden um einige amerikanische Pinot Noir Flaschen ihres Inhalts zu berauben. Ich möchte mich heute nur auf das „Diebesgut“ eines dieser Flaschen beschränken, da ich die meisten der anderen schon vor einiger Zeit an entsprechenden Stellen versucht habe zu beschreiben. Eine kurze Erwähnung am Ende soll ihnen trotzdem vergönnt sein. Doch jetzt erst mal nach Mount Harlan ...


Calera, a.k.a. der alte Kalkofen, steht für den einzigen Erzeuger von Weinen, mehrheitlich Pinot Noir, in der äußerst kleinen, eher weniger-weinbau-affinen und isolierten Mount Harlan AVA ca. 80 km südlich von San José in Zentralkalifornien. Des weiteren steht Calera bzw. korrekterweise Mount Harlan für das einzige nennenswerte von Kalkstein durchzogene Weinbaugebiet in ganz Kalifornien. Stellt sich nun die Frage wie es dazu gekommen ist, dass an solch einem Ort durchaus spannender Pinot Noir wächst? Dazu müssen wir etwas zurück in die Vergangenheit. Im Jahr 1974 begann Josh Jensen, ein Absolvent der auf Landwirtschaft (und einiges mehr) spezialisierten UC Davis, nach einiger Arbeitserfahrung im Burgund und Kalifornien mit seiner unbeirrbaren Suche nach geeigneten Kalksteinlagen in Kalifornien. Weshalb? Ganz einfach! Er war und ist der unumstößlichen Meinung, dass herausragender Pinot Noir nur auf Kalksteinboden wachsen kann. Fündig wurde er am isolierten Mount Harlan im San Benito County. Dieser  Berg war bis dato für Weinbau noch nicht entdeckt worden. Nun, bzw. natürlich damals vor vierzig Jahren, begann er schlicht und "einfach" voller Experimentierfreude auf bis zu 670 m Höhe seine ersten aus dem Burgund importieren Pinot Noir Klone anzupflanzen. Zunächst in nur drei durch ihre Kleinklimata sich sehr unterscheidenden Parzellen. Mittlerweile verfügt er über sechs Einzellagen-Pinot auf insgesamt 36 Hektaren. Die wurzelechten Reben für meinen heutigen Mills Pinot Noir 1992 wurden im Jahr 1984 in einer eher heißen gen Süden gerichteten Lage am Mount Harlan angepflanzt. Dies führt dazu das der Mills zu seinen kräftigeren und üppigeren Lagen-Pinots zählt. Bei der Arbeit im Weinberg wie auch im Keller verfolgt Josh Jensen eine Herangehensweise die man als recht archaisch und zurückhaltend gegenüber modernen Techniken bezeichnen könnte. Kaltmazeration oder Entrappung kennen seine Pinots nicht. Alle seine Pinots werden mit eigenen Hefen ganzbeerig über mehrere Wochen vergoren. Sie zeichnen sich in ihrer Jugend meistens eher durch viel Tannin und ziemlich abweisende sowie kernige Aromen aus. Auf der Langstrecke können diese aber wunderbare komplexe und intensive Aromen entwickeln. Ausgebaut werden Josh’s Pinots eineinhalb Jahre lang in bis zu 30 % französischem neuem Holz.


Die Farbe des zwanzig Jahre alten Mills war durchaus seinem Alter entsprechend – also eher ziegelig als „klassisch“ Rubinrot. Abgesehen von so manchem Schwebeteilchen zeigte er eine sehr schöne Transparenz, und die visuellen Eindrücke ergänzend, einen fantastischen Korken. Seine Nase war geprägt von allerlei braunen und tief reifen Düften. Aufschnappen konnte ich unter anderem Kaffeepulver, etwas Tabak, fein wirkende Nelken, Brotkruste, etwas matschige Kirschen und so manche runzelige Tomate. Am Gaumen wirkte der Wein zunächst etwas überreif und plump, aber dennoch ansprechend, wenn auch nicht wirklich überzeugend. Nach ca. dreisig Minuten ging das Aromenspektrum mehrheitlich in die selbe Richtung, die vorher schon von der Nase vorgegeben wurde. Insbesondere die tomatig und kirschig wirkenden Überbleibsel von Fruchtaromen waren sehr schön ausgeprägt. Auch eine gewisse geriatrische Frische entwickelte sich mit der Zeit in dem Mills. Sein Facettenreichtum, seine überraschende und nicht vor Kraft strotzende Struktur und sogar ein Hauch einer einbildbar kalkbodigen Strenge vermochten es, in mir ein sehr zugeneigtes Gesamtgefühl zu entwickeln. Was mich an diesem Wein äußerst verblüffte war sein Potential mit länger andauernden Öffnungszeit noch mehr in Puncto Frische und Ausgewogenheit zulegen zu können. Das hätte ich so in dieser Form nicht erwartet. Länger als gute zwei Stunden, und weiterer Beobachtung entzogen, hat der Mills leider nicht überlebt. Er hat anscheinend auch bei den kompetenten Weinnasen durchaus Anklang finden können. Insgesamt ein sehr anständiger ***** Pinot Noir der jetzt so langsam geleert werden sollte.

Die Abordnung aus dem schönen mir mehr vertrauten Oregon beinhaltete drei ziemlich unterschiedliche (und so bewusst ausgewählte) Pinot Noirs. Der Artberry Maresh Dundee Hills Pinot Noir 2007 zeigte sich im Vergleich zur letzten Verkostung etwas plumper und leicht lebensentsagend. Dieses mal konnte er mich nicht mit seiner floralen Frische, seidigen Eleganz und würzigen „Oregon Funk“igen Art überzeugen. Daher für diese Flasche nur ein anständig ****. Könnte sein, dass der Artberry während des Flaschenlagers etwas Luft gezogen hat. Der Korken sah ein wenig verdächtig aus. Dagegen wirkte der Eyrie Vineyards Dundee Hills Pinot Noir 2007 im Vergleich zum letzten Mal wesentlich raffinierter, dichter und ausgewogener. Insbesondere seine Länge und anspruchsvolle Struktur konnte für ein "Village" Wein durchweg überzeugen. Er war mein Liebling derVerkostung. Ganz klar ein sehr anständiger ***** Pinot Noir mit eindeutigen Dundee Hills Attributen. Der Patricia Green Cellars Whistling Ridge Vineyard Pinot Noir 2007 aus der Ribbon Ridge AVA fand bei den anwesenden kompetenten Weinnasen nicht das größte aller Gefallen. Meines wohl auch nicht so wirklich. Es war der bei weitem der am stärksten parfümierte, etwas aufdringliche, reichhaltigste, auf fette Frucht bauende und fleischigste Pinot Noir der Verkostung. Noch wesentlich mehr als alle andern Pinots die ich von Patty bis jetzt verkosten konnte. Man könnte schreiben: es war der Pinot, der aus europäischer Sicht der Erwartungshaltung nach neuweltlicher Struktur und Aromatik voll und ganz entsprach. Für mich war der Wein dennoch ein anständiger **** Pinot Noir, da er sich bei aller strukturellen und aromatischen Adipositas eine gewisse Balance behalten hat welche mir gefiel. Es war für mich ganz sicher kein unharmonischer, exzessiver oder chimärenhafter Pinot Noir wie er in neuer, wie auch alter Welt nicht selten vorkommen mag. Tolle Verkostung und schöne Erinnerungen aus pinotfreundlicheren Zeiten ...

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