Ohne viel Vorrede möchte ich heute ein
paar kürzlich erworbene Schweizer „Weinerfahrungswerte“ system-
und ordnungsfrei, wie man anhand des konfusen Fotos schon erkennen kann,
weitervermitteln. Insgesamt habe ich zehn mehrheitlich junge Weine von vermeintlich mittlerer Qualität
aus allen Landesteilen der Schweiz verkostet um mir ein besseres - und
natürlich sehr eingeschränktes wie auch wohl vollkommen
unzureichendes - Bild über die Weinlandschaft unseres südlichen
Nachbarn anzueignen. Verkostet habe ich die Weine mehrheitlich aus 0,375 und 0,35 Liter (eine Waadter Größe) Flaschen. Ich nehme an meine Leber wird es zu schätzen wissen. Teil Eins von Zwei gibt es heute. Den zweiten in
ein paar Wochen. Los geht's ...
Beginnen möchte ich mit meinem ersten
Weißen. Beim Dézaley Chemin de Fer Grand Cru 2011 von Luc Massy aus dem Kanton
Waadt handelt es sich um einen 100%igen Chasselas welcher in der Schweiz
einen hohen Bekanntheitsgrad innehat. Das Traubengut stammt von einem
weichen Gemisch aus Mergel und tonhaltigem Sandstein Lagen in der AOC
Dézaley nahe dem Seeufer des Genfer Sees. Bei diesem ersten Wein war
ich vor dem Öffnen mit meinem Enthusiasmus eher ein wenig
zurückhaltend. Das mag wohl damit zusammenhängen, dass ich zum
einen nicht übermäßig viel Erfahrung mit Chasselas Weinen habe
und zum anderen, dass diese wenigen Erfahrungen meistens von
Langeweile, übertriebener Schlankheit und tief sitzende gespürter Einfachheit
geprägt waren. Die Vorzeichen waren also nicht so positiv nehme ich an. Im Fall
des Chemin de Fer von Luc Massy lag ich mit meiner Erwartungshaltung
so richtig schön daneben! Dieser Chasselas zeigte sich erstaunlich
komplex, kräftig mineralisch und durchaus tiefgründig. In meiner
Nase meldeten sich leicht oxidativ wirkende Reifenoten, sowie cremige
Aromen von frischem Apfelkuchen, einer Spur Vanille, ein wenig
blumigen Honig und eine sehr kräftig, leicht ruppig wirkende,
mineralischen Komponente. Am Gaumen kam viel von der Kraft und
anständigen Länge des Chemin de Fer an. Der Wein wirkte weniger
subtil oder elegant. Auf eine sehr gekonnte Art wirkte er auf mich
eher breit, stabil und kernig. Die Aromen waren geprägt von ganz leicht
mostigem Apfel, später nicht wenige Mandarinen, einer kräftigen und
herben „zweig-lastigen“ mineralischen Prägung, etwas Pistazie,
etwas mehr cremiger Vanille, türkischem Honig und, trotz seiner eher
fein-verhaltenen Säure, angenehm animierender Frische. Ich würde
vorschlagen diesen Wein eher wie ein Chardonnay zu behandeln. Mit
steigenden Temperaturen machte der Wein Tür und Tor auf. Eine
Bewertung fällt mir in diesem Fall schwer. Manch Chasselas-Freund dürfte sich über meine sehr positive Bewertung wundern. Bitte vergebt mir meine persönlichen inflationären Tendenzen. Ich war letztlich sehr positiv überrascht! Ich würde den Chemin de
Fer 2011 gerne als einen anständigen**** - sehr anständigen*****und immer noch sehr jung wirkenden Dézaley bezeichnen.
Der Schiller 2011 aus Weißburgunder
und Pinot Noir von Annatina Pelizzatti in Jenins in der Bündner
Herrschaft hatte eine blassrosa Farbe mit leichten bräunlichen
Reflexen. Zeigte von der Nase viel frische Erdbeeren, etwas Zündholz
und frische Zitronen. Der Geschmack war wie es von einem Rosé, bzw.
Schiller, zu erwarten war, sehr fruchtbetont und leicht süß. Diese Süße
wirkte glücklicherweise nicht kitschig. Zusammengefasst konnte mich der Schiller größtenteils mit
seiner sauberen Frucht von jungen Erdbeeren und Spuren von frischen
Zitronen überzeugen. Dabei war die sehr präsente und kräftige
Säure bestimmt unterstützend hilfreich. Vor ca. sechs Monaten kam mir
der Wein noch lebendiger, kräftiger und etwas seriöser vor.
Vielleicht beginnt die Abstiegsphase so langsam. Für mich als
bekennenden "Nicht-Rosé-und Ähnliches-Trinker" ein überzeugender So
la-la*** Wein.
Der Dôle La Liaudisaz 2012 von Marie
Therese Chappaz aus dem Wallis konnte mich mit seiner total Jugend, recht bissigen Vitalität und überraschenden Kraft
richtig begeistern. Seine Zusammensetzung besteht hauptsächlich aus
Pinot Noir und Gamay wie auch ein wenig Diolinoir. Seine Farbe war klar, transparent,
dunkelrot-lila und voller jugendlicher Reflexe. Anfänglich zeigte
sich die Nase etwas schüchtern. Nach ca. einer halben Stunde kam
eine kraftvolle Gamay Dominaz zum tragen. Viel Waldbeeren, nicht
wenig kühl wirkender Rauch, etwas Gummi und mit fortschreitender
Zeit auch sehr reife Himbeeren waren meine primären Naseneindrücke.
Am Gaumen wirkte der Wein die ersten Stunden enorm wild, ungestüm,
randvoll mit burschikosem grünen Tannin, zünftig mit wunderbar
brutaler Säure ausgestattet und voller schlank-drahtig wirkender
Kraft. Wie schon angemerkt war es ein blutjunger Wein. Doch soviel
Druck und Kraft hätte ich von einem Dôle nicht wirklich erwartet.
Nach ca. vier Stunden (und darüber hinaus) Belüftung in der Flasche
zivilisierte sich der ruppige Charakter des Dôle. Jetzt, und zweiten
Tag immer mehr, kamen die überaus klar-kühlen Aromen von
Waldbeeren, insbesondere Blaubeeren, ein Hauch der Selbigen in
Verbindung mit Brausepulver und ein gewisses mineralische Tiefgründigkeit, die
ich gerne aus einem unerklärbaren Grund mit kühlen grau-schwarzen Steinen assoziiere. Auch die
Struktur wirkte jetzt leichter, keinesfalls schwach oder dünn, und
nicht so "beschäftigend" wie am ersten Tag. Ein toller Dôle von absolut anständiger****
Qualität. Man sollte ihm nur einige wenige Jahre auf der Flasche zur Erholung gönnen.
Mein nächster Wein komm ebenfalls aus
dem Wallis. Die Trauben für den Pinot Noir de Sierre 2011 von der
Kellerei Rouvinez, einer der größten Weinproduzenten im Wallis,
sind auf Kalkboden gewachsen. Anschließend wurden diese in Edelstahl
vergoren und ausgebaut. Der Pinot Noir de Sierre, das Sierre bezieht sich auf den Ortsnamen, hatte eine sehr
transparente rubinrote Farbe. Die Nase wirkte warm und leider zu stark geprägt marmeladig, leicht verwaschener Frucht. Animierend wirkten diese mechanisch-plump daherkommenden
Naseneindrücke leider nicht. Am Gaumen zeigte der Pinot Noir de
Sierre ein etwas zuckrige Frucht von dunklen Beeren. Darüber hinaus
hatte der Wein viel rauchige Noten wie auch gewisse Rauchspeckigkeit,
welche ich sonst gerne mit einfachen deutschen Spätburgundern in
Verbindung bringe. Die eigentliche Konzentration erschien mir
durchaus gelungen, doch von Seiten der Komplexität hätten dem Wein
ein paar mehr Facetten gut getan. Natürlich handelte es sich bei dem
Pinot Noir de Sierre um einen Wein aus dem Einstiegssegment von Rouvinez, aber
auch diesen Aspekt in Betracht gezogen, kann ich nicht mehr als so
la-la*** Qualitäten in ihm finden. Es war letztlich doch ein recht
einfacher Spätburgunder. Ich denke ich muss in naher Zukunft einen
weiteren Walliser Pinot probieren.
Zum Abschluss von Teil Eins von Zwei
geht es noch in den italienisch sprechenden Teil der Schweiz. Die
Trauben für den Merlot Carato 2009 von Angelo Delea aus dem Tessin
wuchsen auf terrassierten Weinberge in Gudo, Gordola und Cugnasco.
Ausgbaut wurde der Wein für ca. 20 Monate in 400 Liter Eichenfässern
aus Nevers und Alliers Eiche. Die Farbe des Carato's zeigte dunkle
granatrote Reflexe, kräftige schleierverleihende Partikel und ein
recht breiten Wasserrand. Die Nase bestach durch sehr duftige
Eindrücke von Leder, getrocknetem Zigarettentabak aus Virginia,
verhaltener warmer und leicht rumtopflastiger Kirschfrucht, viel
präsentem Holz, auch etwas Süßholz, und nicht wenig von klar
wirkender Merlot-typischer Würzigkeit mit kühlem Tessiner Carattere.
Bis auf das aus der Proportion gefallene Holz gefiel mir die Nase. Im
Geschmack zeigte sich dieses Holz leider noch viel präsenter. Hier
wirkte es sogar etwas amerikanisch - also amerikanische Eichenholz ala Rioja Wein oder so.
Gegen diese holzige Kraft konnten sich Aromen von Amarena Kirschen,
tabakige Züge und viel erdig-trockene Würze ein wenig durchsetzten. Nach drei Stunden kamen zusätzlich passende Karamellnoten, sehr
weiche schmelzige Karamellnoten, auf. Das Tannin war noch recht griffig, die
Säure erstaunlich frisch und positiv kontributierend. Die Länge und
ausgesprochene Schmelzigkeit des Abgangs, habe ich so bei einem
Tessiner Merlot selten erlebt, empfand ich zwar als gelungen aber dennoch leicht übertrieben. Was dem
Geschmack betrifft fehlte mir bei dem Carato ein wenig mehr Präzision
und Kühle. Das Holz war leider sehr dominierend, wenn ich sicherlich
auch noch etwas Integrationspotential für die Zukunft sehe. Für mich ein anständiger**** Merlot aus dem Tessin. Doch es war
nicht der beste der Verkostung.
In Teil Zwei von Zwei geht es nochmals ins
Tessin, in die AOC Chablais, nach Neuchâtel, ins Thurgau und auf ein weiteres Mal ins Wallis.
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