30.11.13

Schweizer Allerlei - Teil Eins von Zwei





Ohne viel Vorrede möchte ich heute ein paar kürzlich erworbene Schweizer „Weinerfahrungswerte“ system- und ordnungsfrei, wie man anhand des konfusen Fotos schon erkennen kann, weitervermitteln. Insgesamt habe ich zehn mehrheitlich junge Weine von vermeintlich mittlerer Qualität aus allen Landesteilen der Schweiz verkostet um mir ein besseres - und natürlich sehr eingeschränktes wie auch wohl vollkommen unzureichendes - Bild über die Weinlandschaft unseres südlichen Nachbarn anzueignen. Verkostet habe ich die Weine mehrheitlich aus 0,375 und 0,35 Liter (eine Waadter Größe) Flaschen. Ich nehme an meine Leber wird es zu schätzen wissen. Teil Eins von Zwei gibt es heute. Den zweiten in ein paar Wochen. Los geht's ...



Beginnen möchte ich mit meinem ersten Weißen. Beim Dézaley Chemin de Fer Grand Cru 2011 von Luc Massy aus dem Kanton Waadt handelt es sich um einen 100%igen Chasselas welcher in der Schweiz einen hohen Bekanntheitsgrad innehat. Das Traubengut stammt von einem weichen Gemisch aus Mergel und tonhaltigem Sandstein Lagen in der AOC Dézaley nahe dem Seeufer des Genfer Sees. Bei diesem ersten Wein war ich vor dem Öffnen mit meinem Enthusiasmus eher ein wenig zurückhaltend. Das mag wohl damit zusammenhängen, dass ich zum einen nicht übermäßig viel Erfahrung mit Chasselas Weinen habe und zum anderen, dass diese wenigen Erfahrungen meistens von Langeweile, übertriebener Schlankheit und tief sitzende gespürter Einfachheit geprägt waren. Die Vorzeichen waren also nicht so positiv nehme ich an. Im Fall des Chemin de Fer von Luc Massy lag ich mit meiner Erwartungshaltung so richtig schön daneben! Dieser Chasselas zeigte sich erstaunlich komplex, kräftig mineralisch und durchaus tiefgründig. In meiner Nase meldeten sich leicht oxidativ wirkende Reifenoten, sowie cremige Aromen von frischem Apfelkuchen, einer Spur Vanille, ein wenig blumigen Honig und eine sehr kräftig, leicht ruppig wirkende, mineralischen Komponente. Am Gaumen kam viel von der Kraft und anständigen Länge des Chemin de Fer an. Der Wein wirkte weniger subtil oder elegant. Auf eine sehr gekonnte Art wirkte er auf mich eher breit, stabil und kernig. Die Aromen waren geprägt von ganz leicht mostigem Apfel, später nicht wenige Mandarinen, einer kräftigen und herben „zweig-lastigen“ mineralischen Prägung, etwas Pistazie, etwas mehr cremiger Vanille, türkischem Honig und, trotz seiner eher fein-verhaltenen Säure, angenehm animierender Frische. Ich würde vorschlagen diesen Wein eher wie ein Chardonnay zu behandeln. Mit steigenden Temperaturen machte der Wein Tür und Tor auf. Eine Bewertung fällt mir in diesem Fall schwer. Manch Chasselas-Freund dürfte sich über meine sehr positive Bewertung wundern. Bitte vergebt mir meine persönlichen inflationären Tendenzen. Ich war letztlich sehr positiv überrascht! Ich würde den Chemin de Fer 2011 gerne als einen anständigen**** - sehr anständigen*****und immer noch sehr jung wirkenden Dézaley bezeichnen. 

Der Schiller 2011 aus Weißburgunder und Pinot Noir von Annatina Pelizzatti in Jenins in der Bündner Herrschaft hatte eine blassrosa Farbe mit leichten bräunlichen Reflexen. Zeigte von der Nase viel frische Erdbeeren, etwas Zündholz und frische Zitronen. Der Geschmack war wie es von einem Rosé, bzw. Schiller, zu erwarten war, sehr fruchtbetont und leicht süß. Diese Süße wirkte glücklicherweise nicht kitschig.  Zusammengefasst konnte mich der Schiller größtenteils mit seiner sauberen Frucht von jungen Erdbeeren und Spuren von frischen Zitronen überzeugen. Dabei war die sehr präsente und kräftige Säure bestimmt unterstützend hilfreich. Vor ca. sechs Monaten kam mir der Wein noch lebendiger, kräftiger und etwas seriöser vor. Vielleicht beginnt die Abstiegsphase so langsam. Für mich als bekennenden "Nicht-Rosé-und Ähnliches-Trinker" ein überzeugender So la-la*** Wein.

Der Dôle La Liaudisaz 2012 von Marie Therese Chappaz aus dem Wallis konnte mich mit seiner total Jugend, recht bissigen Vitalität und überraschenden Kraft richtig begeistern. Seine Zusammensetzung besteht hauptsächlich aus Pinot Noir und Gamay wie auch ein wenig Diolinoir. Seine Farbe war klar, transparent, dunkelrot-lila und voller jugendlicher Reflexe. Anfänglich zeigte sich die Nase etwas schüchtern. Nach ca. einer halben Stunde kam eine kraftvolle Gamay Dominaz zum tragen. Viel Waldbeeren, nicht wenig kühl wirkender Rauch, etwas Gummi und mit fortschreitender Zeit auch sehr reife Himbeeren waren meine primären Naseneindrücke. Am Gaumen wirkte der Wein die ersten Stunden enorm wild, ungestüm, randvoll mit burschikosem grünen Tannin, zünftig mit wunderbar brutaler Säure ausgestattet und voller schlank-drahtig wirkender Kraft. Wie schon angemerkt war es ein blutjunger Wein. Doch soviel Druck und Kraft hätte ich von einem Dôle nicht wirklich erwartet. Nach ca. vier Stunden (und darüber hinaus) Belüftung in der Flasche zivilisierte sich der ruppige Charakter des Dôle. Jetzt, und zweiten Tag immer mehr, kamen die überaus klar-kühlen Aromen von Waldbeeren, insbesondere Blaubeeren, ein Hauch der Selbigen in Verbindung mit Brausepulver und ein gewisses mineralische Tiefgründigkeit, die ich gerne aus einem unerklärbaren Grund mit kühlen grau-schwarzen Steinen assoziiere. Auch die Struktur wirkte jetzt leichter, keinesfalls schwach oder dünn, und nicht so "beschäftigend" wie am ersten Tag. Ein toller Dôle von absolut anständiger**** Qualität. Man sollte ihm nur einige wenige Jahre auf der Flasche zur Erholung gönnen.


Mein nächster Wein komm ebenfalls aus dem Wallis. Die Trauben für den Pinot Noir de Sierre 2011 von der Kellerei Rouvinez, einer der größten Weinproduzenten im Wallis, sind auf Kalkboden gewachsen. Anschließend wurden diese in Edelstahl vergoren und ausgebaut. Der Pinot Noir de Sierre, das Sierre bezieht sich auf den Ortsnamen, hatte eine sehr transparente rubinrote Farbe. Die Nase wirkte warm und leider zu stark geprägt marmeladig, leicht verwaschener Frucht. Animierend wirkten diese mechanisch-plump daherkommenden Naseneindrücke leider nicht. Am Gaumen zeigte der Pinot Noir de Sierre ein etwas zuckrige Frucht von dunklen Beeren. Darüber hinaus hatte der Wein viel rauchige Noten wie auch gewisse Rauchspeckigkeit, welche ich sonst gerne mit einfachen deutschen Spätburgundern in Verbindung bringe. Die eigentliche Konzentration erschien mir durchaus gelungen, doch von Seiten der Komplexität hätten dem Wein ein paar mehr Facetten gut getan. Natürlich handelte es sich bei dem Pinot Noir de Sierre um einen Wein aus dem Einstiegssegment von Rouvinez, aber auch diesen Aspekt in Betracht gezogen, kann ich nicht mehr als so la-la*** Qualitäten in ihm finden. Es war letztlich doch ein recht einfacher Spätburgunder. Ich denke ich muss in naher Zukunft einen weiteren Walliser Pinot probieren.



Zum Abschluss von Teil Eins von Zwei geht es noch in den italienisch sprechenden Teil der Schweiz. Die Trauben für den Merlot Carato 2009 von Angelo Delea aus dem Tessin wuchsen auf terrassierten Weinberge in Gudo, Gordola und Cugnasco. Ausgbaut wurde der Wein für ca. 20 Monate in 400 Liter Eichenfässern aus Nevers und Alliers Eiche. Die Farbe des Carato's zeigte dunkle granatrote Reflexe, kräftige schleierverleihende Partikel und ein recht breiten Wasserrand. Die Nase bestach durch sehr duftige Eindrücke von Leder, getrocknetem Zigarettentabak aus Virginia, verhaltener warmer und leicht rumtopflastiger Kirschfrucht, viel präsentem Holz, auch etwas Süßholz, und nicht wenig von klar wirkender Merlot-typischer Würzigkeit mit kühlem Tessiner Carattere. Bis auf das aus der Proportion gefallene Holz gefiel mir die Nase. Im Geschmack zeigte sich dieses Holz leider noch viel präsenter. Hier wirkte es sogar etwas amerikanisch - also amerikanische Eichenholz ala Rioja Wein oder so. Gegen diese holzige Kraft konnten sich Aromen von Amarena Kirschen, tabakige Züge und viel erdig-trockene Würze ein wenig durchsetzten. Nach drei Stunden kamen zusätzlich passende Karamellnoten, sehr weiche schmelzige Karamellnoten, auf. Das Tannin war noch recht griffig, die Säure erstaunlich frisch und positiv kontributierend. Die Länge und ausgesprochene Schmelzigkeit des Abgangs, habe ich so bei einem Tessiner Merlot selten erlebt, empfand ich zwar als gelungen aber dennoch leicht übertrieben. Was dem Geschmack betrifft fehlte mir bei dem Carato ein wenig mehr Präzision und Kühle. Das Holz war leider sehr dominierend, wenn ich sicherlich auch noch etwas Integrationspotential für die Zukunft sehe. Für mich ein anständiger**** Merlot aus dem Tessin. Doch es war nicht der beste der Verkostung.



In Teil Zwei von Zwei geht es nochmals ins Tessin, in die AOC Chablais, nach Neuchâtel, ins Thurgau und auf ein weiteres Mal ins Wallis.

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