Man könnte der Vermutung erlegen das
ich ein fauler Hund bin! Abstreiten wollte ich das nicht. Mit einem guten Monat Verspätung habe ich
es nun endlich geschafft den vierten Teil von Schweizer Allerlei
zusammen zu trinken und wie man sehen kann mehr oder weniger gut zusammen zu schreiben. Um nicht noch mehr Zeit mit sinnfreiem Vorgeplänkel zu
vergeuden schlage ich vor gleich zum Wesentlichen überzugehen! Wie
auch in den drei vorangestellten Teilen geht es auch dieses Mal in die verschiedensten Landesteile der Schweiz. Etwas detailgenauer formuliert: jeweils zweimal geht es unter jeweils gleichsortigen Vorzeichen in den Kanton Waadt und an den
Alpenrhein des Kantons Graubünden. Wie gewohnt findet auch diesmal der Ausklang im Tessin statt. Wieder handelt es sich bei den vorgestellten Weinen um
mehr oder weniger aktuelle Jahrgänge aus der mittleren
„Qualitätsschiene“ der jeweiligen Weingüter. Im Gegensatz zum letzten Mal wurden die
meisten der Weine wieder aus Halbflaschen verkostet. Die vernunftgelenkte
Neigung zum eingeschränkten Überfluss hat bei mir glücklicherweise wieder Einzug
gehalten ;-). Also los geht’s …
Beginnen
möchte ich Schweizer Allerlei Teil Vier mit meinem ersten Chasselas, bei
Schweizer Allerlei versteht sich, von der berühmten und leider oft
zurecht unterschätzten La Côte zwischen Lausanne und Genf. Raymond
Paccot von der Domaine La Colombe gehört zu den interessantesten und
„fortschrittlichsten“ Weinmachern aus dem süd-westlichen Teil des
Genfer Sees. Beim Féchy La Colombe 2011 handelt es sich um einen
gehobenen Einstiegswein aus unterschiedlichen Parzellen des Dorfes
Féchy welcher „nach biodynamisch inspirierten Methoden
kultiviert“ (http://www.lacolombe.ch/)
erzeugt wurde. Die Farbe des Féchy war weiß-golden, wie erwartet ein wenig
blass-fahl und, wie komplett unerwartet, mit einer überraschend dicklich
wirkenden Viskosität ausgestattet. Die Nase zeigte ziemlich
mollig wirkende Düfte von kräftigem Honig, nicht zu frischer
Zitrone und Zitronencreme, Kamille, Lindenblüten und sogar ein wenig
nach (wahrscheinlich vom Verkoster stark eingebildeter) Panna Cotta. Am Gaumen zeigte
sich der La Colombe in den ersten drei bis vier Stunden enorm Honig-lastig, eher von diffuser und wahrscheinlich mehrheitlich
tropischen Früchten geprägt – ich meinte Rambutan
inkl. dünner Innenhaut verstärkt zu herauszuschmecken, Kamille und einer
mit allen Aromen in Verbindung stehenden Cremigkeit. Die Länge des
Abgangs war in Ordnung. Genau in diesem zeigte der Wein auch ein
paar für Chasselas typische eher ins herbe-würzige tendierende
Aromen. Diese Tendenz zeigte sich nach gut vier Stunden immer
ausgeprägter. Dennoch verblieb der Féchy über die gesamte
Verkostung hinweg im eher mild-molligen Trinkanimations-Modus. Die
Säure war wie zu erwarten war sehr magenfreundlich. Als schön empfand ich, dass mir der
Féchy 2011 der Domaine La Colombe ein weiteres, ein eher kräftiges
und molliges, Gesicht des Chasselas zeigte. Sicherlich war dieser
Wein kein komplexes und überdimensionales Meisterwerk. Was er
sicherlich auch nicht sein sollte. Er war eher das was er beabsichtigt zu sein: ein Spasswein zum Essen. Für mich ein wirklich
anständiger **** und eigenständiger Wein zum Einstieg in Teil Vier von Schweizer Allerlei!
Mein zweiter
Vaudois war ein Dézaley aus der Lage Grotte
des Moines 2011 von Louis Philippe Porchet aus Epesses. Wie bei fast
allen Weinen aus dieser edlen Teil-Region des Lavaux östlich von
Lausanne handelt es sich auch beim heutigen Wein um einen 100%igen
Chasselas aus extremen Steillagen. Die Farbe des Grotte des Moines
zeigte visuelle Tendenzen hin zu einem milden Stroh-Gelb, was für
den sonst eher blass-eleganten Chasselas etwas erstaunlich war. Seine
Viskosität zeigte sich im Vergleich zum Féchy recht unauffällig.
Die wahrgenommene von seiner jugend zeugende Kohlensäure (Schraubverschluss) nach dem Öffnen
möchte ich nicht unterschlagen. Die Nase war im Vergleich zum
Féchy komplett anders. Sie war sehr ernsthaft, sogar etwas streng,
und stark vom kargen Boden geprägt. Die eigentlichen Duftaromen
waren eher von reservierter Natur. Ich meinte Zitronenabrieb,
Kräuterwiese, junge Zweige und enorm viele rauchig-ernste mineralische Züge zu
erriechen. Alles in Allem ein sehr "grün hinter den Ohren" wirkender
Naseneindruck. Auch der Geschmack des Grotte des Moines wirkte sehr
sehr jugendlich und in den ersten zwei Stunden sogar ein wenig
zickig unruhig. Der allgemein reservierte Charakter des Weins muss ich was den Gaumen betraf nicht
weiter betonen. Eine Form von präsenter Salzigkeit und sehr
grün-würzige Aromatik kam von Beginn an durch. Später, nach ca.
zwei bis drei Stunden, kamen mehr und mehr herbe-würzige
Charakterzüge durch, welche mit der ebenfalls stärker aufkommenden
Dichte des Weines, also ich meine natürliche den Eindruck einer
solchen aufkommenden Dichte, sehr gut korrespondierte, aber nicht
harmonisierte, da harmonische Neigungen im Moment bei diesem Wein wohl nicht das Thema
sind. Die Länge und Druck des Dézaley war beeindruckend und
sicherlich perspektivisch sehr ansprechend. Kurz und knapp
zusammengefasst. Im Moment in einem sehr jungen und von würziger
Strenge geprägtem Entwicklungsstadium. Auch zukünftig sicherlich
kein Gaumenschmeichler! Ein nach auf Käse basierendem Essen schreiender Chasselas von absolut anständiger **** Qualität.Vielleicht sogar mehr ...
Mein erster Pinot Noir aus Bündner
Herrschaft bei Schweizer Allerlei, ich kann es kaum glauben das es der erste ist, war der Pinot Noir vom
Lindenwingert 2010 vom Weingut Sprecher von Bernegg in Jenins. Leider
konnte mich dieser zwar zu Fragilität, Filigranität und
Fruchtigkeit neigende „Mittelklasse“ Pinot Noir des Weinguts gar
nicht überzeugen. Leider, denn normalerweise würde ich diese eben genannten Attribute bei einem Pinot Noir als sehr vorteilhaft erachten! Warum konnte dieser Wein mich dann nicht überzeugen? Seine Farbe war sehr hell-pinot'ig. Die Farbe des Kerns kam mir sehr strahlend vor. Die
Nase wirkte kühl, ein wenig unreif grün-krautig und dennoch etwas
übermäßig süßlich bonbonhaft fruchtig. Leider wirkte sie auf mich ziemlich
verwaschen und ein wenig stinkig (kein Defekt feststellbar). Und das nicht nur am Anfang! Auch nach mehreren Tagen des
Verkostens zeigte sich eine ähnliche Charakteristik. Wie die Nase zeigte auch der Geschmack sehr viel bonbonhafte Fruchtlastigkeit. Aromen von Himbeeren, Brombeeren
und Anklänge von Zitrusfrucht waren klarer und eindeutiger schmeckbar. Leider mangelte
es dieser Fruchtlastigkeit an Eleganz und Raffinesse. Sie zeigte sich sehr einfach und seifig gestrickt. Leider war der Wein auch ein wenig dünn und bei
Temperatur über 14-15° C enorm fruchtsüß. Auch die sehr spitze
und ungewöhnlich nervige Säure machte mir wenig Spaß. Vielleicht
war die Flasche auf die eine oder andere Art negativ beeinflusst. Ein
offensichtlicher Defekt ist mir auch nach tagelangem Verkosten nicht
aufgefallen. Da ich viel Positives über die Weine des Weinguts aus
der jüngeren Vergangenheit gelesen habe war die Enttäuschung bei
diesem Wein um so größer. Anhand meiner zugegeben defizitären Skala würde ich ihn natürlich als trinkbar ** bis so la-la *** bezeichnen wollen. Doch
meine bevorzugte Art von Pinot Noir war Das wirklich nicht. Schade!
Komplett andersartig aufgrund seiner
Aromatik und mehr noch aufgrund seiner Struktur war der Trocla Nera
Pinot Noir 2010 des Weinguts zur Sonne der Familie Obrecht. Beim
Trocla Nera (aka Schwarze Traube) handelt es sich um den mittleren
Pinot Noir des Weinguts. Dieser wird je nach Jahrgang aus Traubengut
unterschiedlicher Jeninser Lagen hergestellt und für ca. 12 Monate
im kleinen Eichenholz (zu 25 % Neuholz) ausgebaut. Seine Farbe war
eigentlich schon bläulich-rot, zeigte sehr viele leuchtende und
klare Reflexe wobei in den Randregionen sich auch schon kleine
Verfärbungen ins Rot-bräunliche feststellen ließen. Die Nase war
die erste Zeit etwas störrisch und auseinander-laufend und stark
von Räucherschinken geprägt. Darüber hinaus zeigten sich sehr
reifen Erdbeeren, Düfte einer frisch gefüllten Zementmischmaschine
(?), Moos, Spuren von weichem und warmem Holz und etwas Lakritze.
Später wurde neben einer sich entwickelnden Süße die Holzprägung
sogar noch dominanter bis sie nach ca. sechs Stunden wesentlich
besser integrierter und angenehm duftiger wirkte. Alles in allem eine
recht breit und warm wirkende Nase ohne viel Anmut und Raffinesse.
Der Geschmack war zunächst dominiert von solider Rauchigkeit, ohne
wirklich räucherspeckig zu wirken, von nicht übertriebener und recht reif
wirkender Fruchtigkeit (matschig reifen Erdbeeren und anderen dunkleren Beeren), eine
zurückhaltende mineralische Prägung, einer noch angemessenen
Fruchtsüße, einer straffen Säure und leider einem etwas zu
holzlastigem „Rückrat“. Wie im Fall der Nase zeigte sich auch am
Gaumen eine gewissen Hinwendung zur Holzigkeit nach wenigen Stunden
um nach ca. sechs Stunden und am nächsten Tag sich wesentlich
ansprechender zu integrieren. Die Frucht verblieb durchweg ziemlich saftig,
etwas sehr von Fruchtsüße geprägt. Diese vermochte es nicht einen kleinen Hauch von Marmelade zu verstecken. Wesentlich später (bis hinüber in den darauffolgenden Tag) zeigte der
Wein wesentlich mehr „braune“ Aromen von Kaffee, Schokolade und
noch reiferer Frucht. Die eigentliche Stilistik des Weines sprach
mich aufgrund seiner recht reifen und etwas plump-unelegant wirkenden
Charakteristik nicht sehr an, doch mit der Zeit entwickelte sich der
Trocla Nera 2010 zu einem Pinot Noir der in sich ruhte und etwas ausgefeiltere Aromen hervorbringen konnte. Demnach konnte er mir ein gewisses Maß an
anständiger **** Zufriedenheit abringen!
Wie auch bei den vorangegangenen
Schweizer Allerlei Teilen möchte ich auch Teil Vier mit einem
Tessiner beschließen. Dieses Mal soll es der Merlot Fustoquattro
2011 von Daniel Huber aus Monteggio sein. Vergoren und ausgebaut
wurde dieser „kleine Huber“, also der
Einstiegsmerlot des Hauses, im Edelstahl wie auch im großen
Holzfass. Seine kühle, straffe und klare
Charakteristik zeigte sich schon bei seiner Farbe. Das klare und sehr
vital wirkende Karminrot erstreckte sich vom Rand bis in den Kern.
Die Nase zeichnete sich durch kristallklare Kühle, einer sehr feinen
leicht ätherisch wirkenden Würzigkeit, wunderbaren
rabenschwarz-dunkelbläulichen und sehr ausgewogen reif wirkenden
Beeren und kleinste Spuren von Holz aus. Diese klare und sehr sauber
wirkende „Kante“ vermochte es sich nach einigen Stunden weiter
zum noch besseren auszubalancieren. Sicherlich zeigte der Fustoquattro nicht das
komplexeste Nasenspiel, doch seine „einfache“ Spannung und Anmut
konnte mich einfach begeistern. Am Gaumen wirkte der Merlot ebenfalls
sehr lebendig, voll von kühlen pfeffrig-würzigen Aromen, wunderbar frisch und saftig wirkenden Blau- und
Brombeeren, mikroskopischen Anklängen von frisch gepresstem
Kautschuk, Spuren von
Wacholder und einem noch stramm wirkendem und gehörig Biss verleihendem
Tanningerüst. Der Fustoquattro wirkte die ganze, und
zugegebenermaßen eher kurze Verkostungszeit - er ging zu schnell die Kehle runter, sehr trinkig,
spassbringend ohne wirklich simpel zu wirken, und in der Tat nicht all zu kurz.
Vor allem seine Präzision, Frische und Klarheit konnten mich durchweg,
fast schon begeisternd, überzeugen. Ohne Probleme ein sehr anständiger *****
Einstiegs-Merlot für relativ kleines Geld.
Die vorherigen Teile von Schweizer Allerlei findet ihr hier:
http://wine-zeit.blogspot.de/2014/01/schweizer-allerlei-teil-drei.html
http://wine-zeit.blogspot.de/2013/12/schweizer-allerlei-teil-zwei-von-zwei.html
http://wine-zeit.blogspot.de/2013/11/schweizer-allerlei-teil-eins-von-zwei.html
Die vorherigen Teile von Schweizer Allerlei findet ihr hier:
http://wine-zeit.blogspot.de/2014/01/schweizer-allerlei-teil-drei.html
http://wine-zeit.blogspot.de/2013/12/schweizer-allerlei-teil-zwei-von-zwei.html
http://wine-zeit.blogspot.de/2013/11/schweizer-allerlei-teil-eins-von-zwei.html
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