24.3.14

Schweizer Allerlei Teil Vier



Man könnte der Vermutung erlegen das ich ein fauler Hund bin! Abstreiten wollte ich das nicht. Mit einem guten Monat Verspätung habe ich es nun endlich geschafft den vierten Teil von Schweizer Allerlei zusammen zu trinken und wie man sehen kann mehr oder weniger gut zusammen zu schreiben. Um nicht noch mehr Zeit mit sinnfreiem Vorgeplänkel zu vergeuden schlage ich vor gleich zum Wesentlichen überzugehen! Wie auch in den drei vorangestellten Teilen geht es auch dieses Mal in die verschiedensten Landesteile der Schweiz. Etwas detailgenauer formuliert: jeweils zweimal geht es unter jeweils gleichsortigen Vorzeichen in den Kanton Waadt und an den Alpenrhein des Kantons Graubünden. Wie gewohnt findet auch diesmal der Ausklang im Tessin statt. Wieder handelt es sich bei den vorgestellten Weinen um mehr oder weniger aktuelle Jahrgänge aus der mittleren „Qualitätsschiene“ der jeweiligen Weingüter.  Im Gegensatz zum letzten Mal wurden die meisten der Weine wieder aus Halbflaschen verkostet. Die vernunftgelenkte Neigung zum eingeschränkten Überfluss hat bei mir glücklicherweise wieder Einzug gehalten ;-). Also los geht’s …



Beginnen möchte ich Schweizer Allerlei Teil Vier mit meinem ersten Chasselas, bei Schweizer Allerlei versteht sich, von der berühmten und leider oft zurecht unterschätzten La Côte zwischen Lausanne und Genf. Raymond Paccot von der Domaine La Colombe gehört zu den interessantesten und „fortschrittlichsten“ Weinmachern aus dem süd-westlichen Teil des Genfer Sees. Beim Féchy La Colombe 2011 handelt es sich um einen gehobenen Einstiegswein aus unterschiedlichen Parzellen des Dorfes Féchy welcher „nach biodynamisch inspirierten Methoden kultiviert“ (http://www.lacolombe.ch/) erzeugt wurde. Die Farbe des Féchy war weiß-golden, wie erwartet ein wenig blass-fahl und, wie komplett unerwartet, mit einer überraschend dicklich wirkenden Viskosität ausgestattet. Die Nase zeigte ziemlich mollig wirkende Düfte von kräftigem Honig, nicht zu frischer Zitrone und Zitronencreme, Kamille, Lindenblüten und sogar ein wenig nach (wahrscheinlich vom Verkoster stark eingebildeter) Panna Cotta. Am Gaumen zeigte sich der La Colombe in den ersten drei bis vier Stunden enorm Honig-lastig, eher von diffuser und wahrscheinlich mehrheitlich tropischen Früchten geprägt – ich meinte Rambutan inkl. dünner Innenhaut verstärkt zu herauszuschmecken, Kamille und einer mit allen Aromen in Verbindung stehenden Cremigkeit. Die Länge des Abgangs war in Ordnung. Genau in diesem zeigte der Wein auch ein paar für Chasselas typische eher ins herbe-würzige tendierende Aromen. Diese Tendenz zeigte sich nach gut vier Stunden immer ausgeprägter. Dennoch verblieb der Féchy über die gesamte Verkostung hinweg im eher mild-molligen Trinkanimations-Modus. Die Säure war wie zu erwarten war sehr magenfreundlich. Als schön empfand ich, dass mir der Féchy 2011 der Domaine La Colombe ein weiteres, ein eher kräftiges und molliges, Gesicht des Chasselas zeigte. Sicherlich war dieser Wein kein komplexes und überdimensionales Meisterwerk. Was er sicherlich auch nicht sein sollte. Er war eher das was er beabsichtigt zu sein: ein Spasswein zum Essen. Für mich ein wirklich anständiger **** und eigenständiger Wein zum Einstieg in Teil Vier von Schweizer Allerlei!
 
Mein zweiter Vaudois war ein Dézaley aus der Lage Grotte des Moines 2011 von Louis Philippe Porchet aus Epesses. Wie bei fast allen Weinen aus dieser edlen Teil-Region des Lavaux östlich von Lausanne handelt es sich auch beim heutigen Wein um einen 100%igen Chasselas aus extremen Steillagen. Die Farbe des Grotte des Moines zeigte visuelle Tendenzen hin zu einem milden Stroh-Gelb, was für den sonst eher blass-eleganten Chasselas etwas erstaunlich war. Seine Viskosität zeigte sich im Vergleich zum Féchy recht unauffällig. Die wahrgenommene von seiner jugend zeugende Kohlensäure (Schraubverschluss) nach dem Öffnen möchte ich nicht unterschlagen. Die Nase war im Vergleich zum Féchy komplett anders. Sie war sehr ernsthaft, sogar etwas streng, und stark vom kargen Boden geprägt. Die eigentlichen Duftaromen waren eher von reservierter Natur. Ich meinte Zitronenabrieb, Kräuterwiese, junge Zweige und enorm viele rauchig-ernste mineralische Züge zu erriechen. Alles in Allem ein sehr "grün hinter den Ohren" wirkender Naseneindruck. Auch der Geschmack des Grotte des Moines wirkte sehr sehr jugendlich und in den ersten zwei Stunden sogar ein wenig zickig unruhig. Der allgemein reservierte Charakter des Weins muss ich was den Gaumen betraf nicht weiter betonen. Eine Form von präsenter Salzigkeit und sehr grün-würzige Aromatik kam von Beginn an durch. Später, nach ca. zwei bis drei Stunden, kamen mehr und mehr herbe-würzige Charakterzüge durch, welche mit der ebenfalls stärker aufkommenden Dichte des Weines, also ich meine natürliche den Eindruck einer solchen aufkommenden Dichte, sehr gut korrespondierte, aber nicht harmonisierte, da harmonische Neigungen im Moment bei diesem Wein wohl nicht das Thema sind. Die Länge und Druck des Dézaley war beeindruckend und sicherlich perspektivisch sehr ansprechend. Kurz und knapp zusammengefasst. Im Moment in einem sehr jungen und von würziger Strenge geprägtem Entwicklungsstadium. Auch zukünftig sicherlich kein Gaumenschmeichler! Ein nach auf Käse basierendem Essen schreiender Chasselas von absolut anständiger **** Qualität.Vielleicht sogar mehr ...

Mein erster Pinot Noir aus Bündner Herrschaft bei Schweizer Allerlei, ich kann es kaum glauben das es der erste ist, war der Pinot Noir vom Lindenwingert 2010 vom Weingut Sprecher von Bernegg in Jenins. Leider konnte mich dieser zwar zu Fragilität, Filigranität und Fruchtigkeit neigende „Mittelklasse“ Pinot Noir des Weinguts gar nicht überzeugen. Leider, denn normalerweise würde ich diese eben genannten Attribute bei einem Pinot Noir als sehr vorteilhaft erachten! Warum konnte dieser Wein mich dann nicht überzeugen?  Seine Farbe war sehr hell-pinot'ig. Die Farbe des Kerns kam mir sehr strahlend vor. Die Nase wirkte kühl, ein wenig unreif grün-krautig und dennoch etwas übermäßig süßlich bonbonhaft fruchtig. Leider wirkte sie auf mich ziemlich verwaschen und ein wenig stinkig (kein Defekt feststellbar). Und das nicht nur am Anfang! Auch nach mehreren Tagen des Verkostens zeigte sich eine ähnliche Charakteristik. Wie die Nase zeigte auch der Geschmack sehr viel bonbonhafte Fruchtlastigkeit. Aromen von Himbeeren, Brombeeren und Anklänge von Zitrusfrucht waren klarer und eindeutiger schmeckbar. Leider mangelte es dieser Fruchtlastigkeit an Eleganz und Raffinesse. Sie zeigte sich sehr einfach und seifig gestrickt. Leider war der Wein auch ein wenig dünn und bei Temperatur über 14-15° C enorm fruchtsüß. Auch die sehr spitze und ungewöhnlich nervige Säure machte mir wenig Spaß. Vielleicht war die Flasche auf die eine oder andere Art negativ beeinflusst. Ein offensichtlicher Defekt ist mir auch nach tagelangem Verkosten nicht aufgefallen. Da ich viel Positives über die Weine des Weinguts aus der jüngeren Vergangenheit gelesen habe war die Enttäuschung bei diesem Wein um so größer. Anhand meiner zugegeben defizitären Skala würde ich ihn natürlich als trinkbar ** bis so la-la *** bezeichnen wollen. Doch meine bevorzugte Art von Pinot Noir war Das wirklich nicht. Schade!

Komplett andersartig aufgrund seiner Aromatik und mehr noch aufgrund seiner Struktur war der Trocla Nera Pinot Noir 2010 des Weinguts zur Sonne der Familie Obrecht. Beim Trocla Nera (aka Schwarze Traube) handelt es sich um den mittleren Pinot Noir des Weinguts. Dieser wird je nach Jahrgang aus Traubengut unterschiedlicher Jeninser Lagen hergestellt und für ca. 12 Monate im kleinen Eichenholz (zu 25 % Neuholz) ausgebaut. Seine Farbe war eigentlich schon bläulich-rot, zeigte sehr viele leuchtende und klare Reflexe wobei in den Randregionen sich auch schon kleine Verfärbungen ins Rot-bräunliche feststellen ließen. Die Nase war die erste Zeit  etwas störrisch und auseinander-laufend und stark von Räucherschinken geprägt. Darüber hinaus zeigten sich sehr reifen Erdbeeren, Düfte einer frisch gefüllten Zementmischmaschine (?), Moos, Spuren von weichem und warmem Holz und etwas Lakritze. Später wurde neben einer sich entwickelnden Süße die Holzprägung sogar noch dominanter bis sie nach ca. sechs Stunden wesentlich besser integrierter und angenehm duftiger wirkte. Alles in allem eine recht breit und warm wirkende Nase ohne viel Anmut und Raffinesse. Der Geschmack war zunächst dominiert von solider Rauchigkeit, ohne wirklich räucherspeckig zu wirken, von nicht übertriebener und recht reif wirkender Fruchtigkeit (matschig reifen Erdbeeren und anderen dunkleren Beeren), eine zurückhaltende mineralische Prägung, einer noch angemessenen Fruchtsüße, einer straffen Säure und leider einem etwas zu holzlastigem „Rückrat“. Wie im Fall der Nase zeigte sich auch am Gaumen eine gewissen Hinwendung zur Holzigkeit nach wenigen Stunden um nach ca. sechs Stunden und am nächsten Tag sich wesentlich ansprechender zu integrieren. Die Frucht verblieb durchweg ziemlich saftig, etwas sehr von Fruchtsüße geprägt. Diese vermochte es nicht einen kleinen Hauch von Marmelade zu verstecken. Wesentlich später (bis hinüber in den darauffolgenden Tag) zeigte der Wein wesentlich mehr „braune“ Aromen von Kaffee, Schokolade und noch reiferer Frucht. Die eigentliche Stilistik des Weines sprach mich aufgrund seiner recht reifen und etwas plump-unelegant wirkenden Charakteristik nicht sehr an, doch mit der Zeit entwickelte sich der Trocla Nera 2010 zu einem Pinot Noir der in sich ruhte und etwas ausgefeiltere Aromen hervorbringen konnte. Demnach konnte er mir ein gewisses Maß an anständiger **** Zufriedenheit abringen!

Wie auch bei den vorangegangenen Schweizer Allerlei Teilen möchte ich auch Teil Vier mit einem Tessiner beschließen. Dieses Mal soll es der Merlot Fustoquattro 2011 von Daniel Huber aus Monteggio sein. Vergoren und ausgebaut wurde dieser „kleine Huber“, also der Einstiegsmerlot des Hauses, im Edelstahl wie auch im großen Holzfass. Seine kühle, straffe und klare Charakteristik zeigte sich schon bei seiner Farbe. Das klare und sehr vital wirkende Karminrot erstreckte sich vom Rand bis in den Kern. Die Nase zeichnete sich durch kristallklare Kühle, einer sehr feinen leicht ätherisch wirkenden Würzigkeit, wunderbaren rabenschwarz-dunkelbläulichen und sehr ausgewogen reif wirkenden Beeren und kleinste Spuren von Holz aus. Diese klare und sehr sauber wirkende „Kante“ vermochte es sich nach einigen Stunden weiter zum noch besseren auszubalancieren. Sicherlich zeigte der Fustoquattro nicht das komplexeste Nasenspiel, doch seine „einfache“ Spannung und Anmut konnte mich einfach begeistern. Am Gaumen wirkte der Merlot ebenfalls sehr lebendig, voll von kühlen pfeffrig-würzigen Aromen, wunderbar frisch und saftig wirkenden Blau- und Brombeeren, mikroskopischen Anklängen von frisch gepresstem Kautschuk, Spuren von Wacholder und einem noch stramm wirkendem und gehörig Biss verleihendem Tanningerüst. Der Fustoquattro wirkte die ganze, und zugegebenermaßen eher kurze Verkostungszeit - er ging zu schnell die Kehle runter, sehr trinkig, spassbringend ohne wirklich simpel zu wirken, und in der Tat nicht all zu kurz. Vor allem seine Präzision, Frische und Klarheit konnten mich durchweg, fast schon begeisternd, überzeugen. Ohne Probleme ein sehr anständiger ***** Einstiegs-Merlot für relativ kleines Geld.

Die vorherigen Teile von Schweizer Allerlei findet ihr hier:

http://wine-zeit.blogspot.de/2014/01/schweizer-allerlei-teil-drei.html

http://wine-zeit.blogspot.de/2013/12/schweizer-allerlei-teil-zwei-von-zwei.html

http://wine-zeit.blogspot.de/2013/11/schweizer-allerlei-teil-eins-von-zwei.html

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