Weiter geht es mit meinen kürzlich
erworbenen pan-helvetischen „Weinerfahrungswerten“. Im Vergleich zu Teil Eins von zwei bei Schweizer Allerlei sollte es noch abwechslungsreicher, intensiver und genussvoller werden. Wie letztes Mal möchte ich mit einem
Chasselas beginnen. Dieses mal aus der AOC Yvorne im Chablais. Auch eine leicht exzentrische Petite Arvine aus dem Wallis durfte bei meiner Verkostung natürlich nicht
fehlen. So verhielt es sich auch mit Dem Klassiker aus dem Kanton
Neuchâtel: dem Œil de
Perdrix. Ein weiterer, und überaus erfreulicher,
Pinot Noir kam aus dem Thurgau über den Bodensee nach Deutschland gesegelt. Zum Abschluss
hatte ich, wie auch bei Teil eins meiner Allerlei Verkostung, einen Merlot
aus dem Tessin. Zu weiteren kurzen Erklärung sollte ich nochmals erwähnen, dass wieder die meisten Weine aus der
(gehobenen) Mittelklasse der jeweiligen Weingüter entstammten und wiederum zu 4/5 aus Halbflaschen verkostet wurden. Genug der Präliminarien!
Darum auf, zu den Gabriel Gläsern …
Bei meinem ersten Wein handelte es sich
um den Grand Cru L'Ovaille 2010 von der Domaine L'Ovaille (un
terroir de 1584) aus der AOC Yvorne im Chablais. Wie der Name des
Weingutes (und der Lage) verraten mag, muss irgend etwas Schlimmes einsteins (vermutlich im Jahr 1584) passiert sein. Genau in diesem
Jahr wurde das Dorf Yvorne von einem riesigen Gesteinsabrutsch,
welcher durch ein Erdbeben ausgelöst wurde, begraben. Dieser bildet
heute die Unterlage für den ca. 2,3 ha großen gen süd-südost
gerichteten Weinberg L'Ovaille. Wie es sich bei nicht wenige
Chasselas Weine verhält, konnte auch dieser mit keiner satten Farbe
aufwarten. Dieser nahezu farblose Zustand lässt sich wohl am besten
mit der sehr zügigen Pressung und stahligen Ausbauart erklären. Die Nase
war angenehm aussagekräftig. Weiche und filigrane Düfte von gelben
Birnen, weißen Blumen, Spuren von sehr reifen Äpfeln und gegen
später einigen exotischen Anklängen (hauptsächlich Mandarinen)
zeugten von einem sehr fruchtorientierten Chasselas. Diese überaus filigran-duftige Nase wurde mit der Zeit durch Aromen von Honig und Zitronenabrieb in ihrer Komplexität immer ausgeprägter. Die zukletzt erwähnten Aromen waren am Gaumen für mich noch ausgeprägter. Doch zunächst zeigte sich der
L'Ovaille in der ersten Stunde ein wenig sehr herb und säurebetont (!, nicht gerade eine typische Eigenschaft für Gutedel Weine).
Erst nach gut einer Stunde entwickelte sich auch hier eine weiche,
runde und sehr fruchtorientierte Charakteristik. Insbesondere die
Aromen von kräftigen, und zeitweise kompottig wirkenden, Birnen und frischen
Mandarinen machten ein Großteil des Geschmacks aus. Auch der
eigentliche Abgang wirkte nun etwas weicher, süßlicher (hielt sich
im Rahmen) und „milchiger“-cremig. Im Vergleich zu dem vor drei Wochen
erwähnten Dezalay von Luc Massy wirkte dieser Yvorne Chasselas viel
süffiger, weicher, unkomplizierter und bei weitem nicht so mineralisch. Im Geschmack fehlte
es ihm vielleicht ein wenig an Komplexität und Seriosität
um mich wirklich überzeugen zu können. Ein anständiger **** Wein
war es dennoch allemal.
Weiter ging es mit einem Petite Arvine
von den Les Domaines Bonvin aus dem Jahr 2011. Petite Arvine ist eine sehr alte und
stark lokal begrenzte Rebsorte. Neben dem Wallis wird sie eigentlich
nur noch im italienischen Aostatal verbreitet kultiviert. Ich frage
mich: Warum eigentlich? Denn ich habe noch nie einen Wein - ein paar
waren es schon - aus Petite Arvine getrunken, der mich, zum richtigen
Anlass, nicht überzeugen konnte. Wobei, ich kann mir schon
vorstellen, dass die gewaltige – und oft etwas sehr herbe -
Komplexität und Salzigkeit so mancher Gewächse, nicht jedem munden
dürfte. Eine Gewisse Polarisierungsgefahr besteht wohl. Dieser Petite Arvine von Bonvin hatte eine sehr jugendlich
wirkende Farbe. Sehr viel Tein hatte dieser Wein ebenfalls nicht anzubieten. Doch die Viskosität war erwartbar dicht. Die
Nase zeigte von Anfang an wohin die Reise ging! Viel von vermeintlichem
Salz, Seetang, kühlem Rauch und Torf dominierten die gewaltig
mineralische Nase die ersten zwei bis drei Stunden. Frucht war zu
diesem Zeitpunkt nicht im Nasenspielplan vorhanden. Zu dem Zeitpunkt empfand ich die Nase als
beeindruckend, herausfordernd und auf eine gewisse Weise
total stimulierend. Nach mindestens drei Stunden änderten sich die nasalen Eindrücke gewaltigst. Immer mehr von intensiver
kandierter Fruchtigkeit (hauptsächlich Zitrone mit etwas Orange)
begannen sich zu entwickeln. Am Gaumen zeigte sich eine parallel
verlaufende Entwicklung. Zunächst intensivst mineralisch, ähnliche
Aromen, gepaart mit einigen schüchternen Anklängen von weißer
Schokolade, grünem Pfeffer und etwas zu präsentem Glyzerin. Zu
diesem Zeitpunkt mochte mich der Wein schon ein wenig an
insellastigen, mit Wasser verdünnten, schottischen Whiskey erinnern.
Sicherlich eine überaus spannende und intensive Erfahrung. Doch nach
drei bis vier Stunden hielten auch hier kandierte und etwas wachsig
wirkende Fruchtaromen (viel Zitrone und Quitte) Einzug. Diese
verbanden sich mit dem mineralischen Eigenschaften ohne diese
übertrumpfen. Mir persönlich hat diese Geschmackswende nicht ganz so gefallen. In den ersten Stunden
hat mich der Reichtum an gewaltiger Komplexität und Tiefe mehr
berührt. Dies mag wohl ein wenig damit zusammenhängen, dass ich
nicht der größte Fan der Kombination von mineralischer Herbe und
kandierter Fruchtigkeit (die mit der Zeit immer süßer wurde) bin.
Da war mir etwas zu viel Unruhe im Glas. Natürlich eine reine
Geschmacksangelegenheit. Biss, Tiefe und Länge hatte der Wein auf
jeden Fall. Vielleicht ein wenig zu viel schmeckbaren Alkohol.
Spannend war es allemal! Ohne jeden Zweifel ein anständiger ****
Wein.
Auf halben
Weg zwischen Weiß- und Rotwein hat sich ein richtiger Klassiker der
Neuenburger Weinwelt in die Flaschenfolge eingeschmuggelt. Das
Rebhuhnauge oder besser geschrieben Œil de
Perdrix 2011 der Caves du Château d’Auvernier in ein Pinot Noir
mit sehr kurzer Maischestandzeit. Mein verkostetes Exemplar war die
Reserve-Ausführung für ein Züricher Nobelhotel. Ob es da
Unterschied zu anderen Rebhuhnaugen vom Château d’Auvernier gibt entzieht
sich leider meiner Kenntnis. Die Farbe des Œil de
Perdrix fand zwischen einem etwas fahl wirkendem Lachsrosa und einem
hell orange-braunem Farbton statt. Seine Nase hatte unheimlich viel Frische und
klare Erdbeeraromen. Nicht sehr komplex. Dafür aber blitzsauber.
Darüber hinaus kräftiger Rauch der mit den Stunden stetig abnahm.
Überraschende Spuren von floralen Anklängen und ein Hauch Landluft,
die sich beide nach gut zwei Stunden entwickelten, möchte ich nicht
unerwähnt lassen. Die für Rosé leider etwas typische
Bonbonhaftigkeit und süßlich wirkende Kitschigkeit war zu keinem
Zeitpunkt präsent. Formidable! Der Geschmack hatte präzise Fruchtaromen, hier
von Erdbeere, etwas Zitrone und einem Hauch Blutorange. Der präsente, mit
der Zeit sich dezimierende, Rauch, etwas herbe Würze und eine
stramme Säure garnatierten dem Wein ein Stückchen an komplexem Spiel. Was mich wirklich gefreut hat war der Umstand, dass
dieser Wein wirklich trocken, und dadurch für mich sehr verträglich,
war. Ein großer Wurf an Komplexität und Tiefgang war das
Rebhuhnauge sicherlich nicht. Musste er auch nicht. Seine
Trinkigkeit, Klarheit, seine Trockeheit und Harmonie reichten mir
vollkommen aus. Das war Rosé bei dem sogar ich als Anti-Rosé'ist mir
sehr gerne noch und noch und noch ein kleines Gläschen eingeschenkt habe. In
der Tat ein anständiger **** und ziemlich überraschender Wein!
Überraschend und
pinot'ig ging es weiter. Nur diesmal „vollfarbig“ und auf einem
anderen Niveau. Dieser weitere überraschende Pinot kam vom Ottoberg
aus dem thurgauischem Nahbereich des Bodensees. Der Blauburgunder
Ottoberg 2008 von Weinbau Michael Broger hatte es für seine Herkunft aus
der Bodenseeregion wirklich in sich.
Vergoren und ausgebaut (ca. 10 Monate) wurde nicht zertifizierte Bio-Burgunder in 500l Fässern und gebrauchten Barriques. Ein festes und tief farbig-transparentes Rubinrot mit immernoch
jugendlich wirkenden Reflexen erfüllte mein Glas. In der Nase
spielte sich zunächst viel Rauch, Speck und nicht abstoßendes warm
wirkendes Holz ab. Die Eindrücke verflogen nach ca. 30 bis 45
Minuten. Danach kam kühle, kräftige und sehr seriös wirkende
Kirschfrucht, etwas reife Erdbeere, Spuren von Brennsesseln,
Wacholder, Hagebutte und feinstes Karamell auf. Am Gaumen zeigten
sich ebenfalls die anfänglichen und glücklicherweise mehrheitlich schnell verduftenden Rauch- und Speckaromen. Danach zeigte sich eine klare,
schlanke, kühle und saftige Aromenvielfalt von dunklen Kirschen,
reifen Erdbeeren, feiner und etwas grün wirkender Würze, mit
späteren leichten Tendenzen hin zu Brennsesseltee und minimalen
Holzkohleeinflüssen. Die Struktur des Weines war keinesfalls
körperlich unterentwickelt. Auch wenn sie leicht (nicht wirklich filigran) wirkte. Das Tannin war -
jetzt muss ich einen Ausdruck der vinophilen Beschreibungslyrik
verwenden den ich sonst bewusst umschiffe - richtig seidig ohne schon
zu glatt und konturlos zu wirken. Ein anständiger Trinkfluss wurde durch
bestechende Balance, Frische und Länge gewährleistet. Wirklich ein
sehr anständiger ***** Mittelklasse Pinot Noir voller Ausgewogenheit
aus einer Region die nicht sonderlich berühmt für ihre guten
und anspruchsvollen Pinot Noirs ist. Abgesehen natürlich von einigen bekannten Ausnahmen von Broger, Bachtobel und Burkhart. Auf der anderen Seite des
Bodensees gibt es so etwas leider nicht! Doch nicht nur der Wein, sondern auch
das schlicht-geometrisch-elegante und innovativ-erklärende Etikett hatte es in sich.
Näheres dazu findet ihr hier!
Der letzte Wein beim zweiten Teil
meiner Weinerkundung war der Merlot Riflessi d'Epoca 2010 von Brivio
Vini. Bei diesem Merlot handelt es sich um einen auf kräftigen
Lehmböden gewachsenen reinsortigen Merlot aus dem Unterbereich
Sottoceneri. Das Traubengut für diesen Wein wurde, wie bei Brivio
üblich, von verschiedenen Winzern aus der südlichsten Region des
Tessins eingekauft. Die Maischestandzeit dauerte bis zu 18 Tage an. Der Ausbau fand für 14 Monate in französischer Eiche statt. Die Farbe des Riflessi d'Epoca erschien mir ziemlich blutig,
hatte leichte Trübungen und wirkte verständlicherweise visuell noch sehr jung. Die Naseneindrücke waren zunächst bestimmt von
klarer und kühl wirkender Kirschfrucht, saftigen Brombeeren, feinem
Tabak, einer herb-toastigen Holzigkeit (die nicht so übertrieben
erschien) und gewissen
Spuren von Oma's Bratensoße. Unter Beibehaltung der kirschigen, brombeerigen und
tabakigen Eigenschaften entwickelten sich nach ca. zwei Stunden Düfte
in Richtung von nicht zu reifen Heidelbeeren, etwas Cola und
Karamell. Verschlossen oder zugenagelt wirkte die Nase zu keinem
Zeitpunkt. Der Geschmack war von Anfang an wie man ihn sich von einem
guten Mittelklasse Tessiner Merlot hoffnungsvoll erwartet. Die
Aromen wirkten kühl, klar, rein, mittelschwer und ziemlich direkt.
In den ersten zwei Stunden zeugten Säure und Tannin noch von seinem
jungen Alter. Danach wirkte der Brivio Merlot erstaunlich zugänglich
und balanciert. Die Aromen wurden bestimmt von großen
Mengen an Herzkirschen, wiederum sehr saftigen Brombeeren,
schüchternem Tabak, einer Spur Steinpilzen, Nougat, Schokopudding
und einer typischen und nicht übermäßig ausgeprägten würzigen
Merlotcharakteristik. Über die Zugänglichkeit dieses noch jungen
Weines musste ich mich schon wundern. Letztlich war ich positiv
überrascht, dass der Trinkfluss nach einer kurzen Belüftungsphase
so rapide zunahm. Meiner Ansicht nach ein wirklich anständiger ****,
für das Tessin nicht untypisch wirkender, kühler Merlot, der mir
aufgrund seiner Balance und gut vertretbaren Holzprägung (anders als beim ersten Merlot in Teil eins) durchaus
sehr zusagte.
Da es so
schön war in der Schweiz und zwei von zwei Teilen natürlich nicht aller
guten Dingen sind, wird es im kommenden Januar noch einen weiteren
Teil geben. Im wirklich abschließenden Teil Drei von Drei bei Schweizer Allerlei geht es weiter mit einem richtigen
(Massen-)Klassiker aus dem Aigle vom östlichen Teil des Genfersees. Aus etwas weiter westlichen Regionen wird ein Laveaux Saint-Saphorin hinzustoßen. Auch ein Pinot vom
Zürichsee darf nicht fehlen. Im Wallis wird es sehr hoch hinaus gehen. Das letzte Finale wird wie bei den letzten Malen im Tessin stattfinden. Ich freue mich schon!
2 comments:
Schöner Bericht mein Liber Chris ;-) Mögest du noch manchen Riflessi trinken, vor allem auch gereiftere ;-)
Hi Philipp, dankeschön! Ja der war wohl noch sehr jung:-). Vom Zündel Christian gibt es demnächst noch was ... etwas gereifter
Gruss
Chris
Post a Comment