Heute geht es auf einen Ausflug der verschollenen Verkostungsnotiz in
niederösterreichische Weinregionen abseits der Wachau. Vorschollen? Na ja, die
Ordnung meiner Verkostungszettel könnte etwas besser organisiert sein. Daher
hat es sich ergeben, dass ich den Betreffenden seit gut drei Wochen in
jeglichen Taschen, Schubladen, im Keller und erniedrigenderweise sogar im
Altpapiercontainer vergeblich gesucht habe. Vor wenigen Tagen nun habe ich das
gute Stück in meinem Briefkasten gefunden. Wie er da wohl hingekommen ist? Ich
kann nur sagen: Vielen Dank an meine Nachbarschaft - die diese Danksagung vermutlich nie lesen wird! Ich muss mich wohl mit meinen
vielen leeren Flaschen schon einen Namen als Weinvernichtungsmaschine gemacht
haben ;-). So erkläre ich mir diese unverhoffte "Heimsuchung". Jetzt ist aber genug mit dem Geschwätz! Gehen wir über
zu den wesentlichen Dingen! Bei den heutigen Weinen handelt es sich um zwei einigermaßen gereifte Rieslinge aus dem Traisen- und dem Kamptal. Zum einen um den
Platzhirsch Riesling Der Wein vom Stein RR 2006 vom Weingut Neumayer aus dem Traisental,
zum anderen um das konzentrierte Schlachtross Zöbiger Heiligenstein 2006 vom Weingut
Hirsch aus dem Kamptal. Hier geht’s zu meinen wieder gefundenen "Erkenntnissen":
Die Farbe der beiden Weine war ziemlich identisch. Beide
zeigten ein helles gold-gelb und keinerlei offensichtliche
Alterungserscheinungen. Nebenbei sei bemerkt das beide mit Screw Caps
verschlossen waren. Die Viskosität des Hirsch mag ein wenig zähflüssiger und
dichter gewesen sein. Bei diesem meinte ich auch mikroskopisch kleine Restbestände
von Kohlensäure entdeckt zu haben!?! Wie dem auch sein! Als ein sonderlich
positives Zeichen wollte ich das nicht werten. Bei den Naseneindrücken gingen
die Eindrücke dann stark auseinander:
Der Wein vom Stein von Neumayer geizte nicht mit sehr
zivilisierten, eleganten und keinesfalls fetten vielschichtigen Zitronenaromen.
Eine bestechende kühlere Würzigkeit gepaart mit vermeintlicher Mineralik
verlieh dem Wein eine komplexe, sehr feste und tiefgründige Blume. Der
Heiligenstein von Hirsch hatte ein sehr breites, sehr steinfruchtiges und fast
schon stark parfümiertes Bouquet. Die Nase kam mir schon ein wenig brutal und
süßlich vor. Auch eine große Portion Rauch vermochte es nicht mich sonderlich
zu begeistern. Das soll jetzt nicht heißen, dass ich die Nase verabscheuungswürdig fand.
Sie hatte ganz sicher ihre sehr direkte und intensiv fruchtige Attraktivität. Doch diese etwas zu übermannende und gewaltige Prägung war für mich ein wenig
gewöhnungsbedürftig.
Der Geschmack des Wein vom Stein machte sehr schnell
deutlich, dass hier der Name des Weins Programm ist. Zunächst zeigte sich der
Wein von der Frucht her ziemlich reserviert und petrolig. Die karge und gleichzeitig fast
gewaltige Mineralik war von Beginn an sehr präsent. In den ersten zwei Stunden
war mir mal wieder so, dass ich von richtiger „Steinschleckaktion“ sprechen bzw. schreiben könnte. Nach
wenigen Stunden und an den Folgetagen entwickelte sich eine vielschichtige,
immer noch frisch wirkende, zitronige Fruchtigkeit die ab dem zweiten Tag von
etwas exotischeren Fruchtkomponenten unterstützt wurde. In Verbindung mit der
erwähnten intensiven Mineralik zeigte sich über drei Tage hinweg ein sehr
anspruchsvoller, erstaunlich lang anhaltender, komplexer und keinesfalls fetter
Riesling mit relativ kühler Stilistik. Die etwas gezügelte Kraft der Säure
erschien mir passend. Vielleicht hätte sie ein Tick bissiger und frische ausfallen
können. Letztere „Forderung“ mag ein wenig piefke'ig sein ;-). Alles
in allem ein sehr anständiger ***** und anspruchsvoller Riesling der nicht nur
auf schnelllebige Primärfruchtaromen und Protz ausgerichtet ist. Für die nahe Zukunft könnte
ich mir sogar noch ein wenig mehr Freude vorstellen. Ganz im Gegenteil zum
Zöbiger Heiligenstein 2006 von Hirsch. Dieser kam mir schon sehr ausgereift
vor. Seine primären geschmacklichen Eigenschaften waren sehr viel kräftiges
Steinobst, eine starke und etwas wirr wirkenden Rauchigkeit, viel mehr Cremigkeit
im Vergleich zum Wein von Stein, etwas ölig, etwas fett, etwas wuchtig und erstaunlich süß. Eine Süße mit der
die eher verhaltene, oder vielleicht etwas gelangweilte, Säure nicht mitkam.
Alles in allem kam der Hirsch mir nicht so klar und präzise vor wie der Stein-Wein. Von der
mineralischen Tiefgründigkeit gar nicht zu sprechen. Hätte der Wein ein
bisschen weniger Süße und ein klein wenig mehr Säure gehabt, hätte ich den
Hirsch sehr gerne getrunken. Denn „trinkig“ (in limitierten Dosen) und saftig
war er. Sicher kein schlechter Wein wenn man etwas mehr Süße mag. An Tiefgründigkeit hat es dem Wein ein
wenig gemangelt. Als einfach-gestrickt wollte ich ihn dann doch nicht bezeichnen. Aber dennoch etwas eindimensional für einen Spitzenriesling. Am zweiten Tag konnte der Wein ein wenig von seiner rauchigen
Prägung und lahm-öligen Art Abstand gewinnen. Diese Entwicklung machte den Wein für mich etwas
attraktiver. Daher habe letztlich ich nur wenig Probleme diesem fruchtverwöhnten und leicht adipösen Riesling als anständig **** zu bezeichnen - auch wenn er
sicher nicht meiner bevorzugten Stilistik entspricht. Er wird aber sicher seine
Liebhaber am Markt findet.
Abschließend möchte ich das wieder gefundene Gute Stück doch
noch der Öffentlichkeit preisgeben. Sodass ES - und meine sonst nicht so grausam ausschauende aber dennoch entlarvende Sauklaue - auf alle Ewigkeit im Internet auffindbar sein soll:
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