Eins vorab! Ich habe (leider) keine Ahnung wie das Jahr 1993 in
Oregon hinsichtlich Wetter, Ernte und weiteres so gewesen sein mag …
und ich bin, wie es der gelegentliche Leser verstehen mag, viel zu
faul solche mühsamen Recherchen anzustrengen. Nur eins: es soll wohl nicht das aller beste Jahr gewesen sein ... Nun ja ... wichtiger ist was dem pinot-beflissenen
Weinfreund bei seiner Grundausbildung hin zum Pinot-"Fanatiker"
möglicherweise nicht entgangen sein mag. Sprich, die Kenntnis darüber,
dass es sich bei einem dieser Beaux Frères (franz. für Schwäger),
die dem Weingut den Namen verliehen haben, um eine nicht ganz
unbekannte Persönlichkeiten des Weinkosmos handelt. Diese
Persönlichkeit ist niemand geringeres als Robert M. Parker Jr.
Seines Zeichen Weinpapst oder Ähnliches. Der andere, und
mittlerweile auch nicht gerade unbekannte, beau-frère ist Michael
Etzel. Zweiterer, also Michael Etzel, war es, der 1986 beschloss auf
dem Grund einer ehemaligen Schweinefarm in Ribbon Ridge Weinreben
anbauen zu wollen. Dazu benötigte er finanzielle Unterstützung, die
er dank der Hilfe seines beau-frère aus Maryland erhielt. Die ersten
Jahre verkaufte Etzel, der auch als Weinmacher fungiert, den Großteil
seiner Ernten an namenhafte Nachbarn wie Ken Wright oder Dick Ponzi.
Erst im Jahr 1991 begannen die Beaux Frères eigenen Wein im größeren
Stil zu produzieren. Schon ab dem ersten Jahrgang zeichneten sich
ihre Weine durch hohe Konzentration, durch viel Extraktion und durch
lange Fasslagerung (im Schnitt 36 Monate) mit hohem Neuholzanteil aus.
Eine Herangehensweise die mir in den meisten Fällen persönlich nicht sonderlich entgegenkommt. Da ich bis zu meinem heutigen „Pinot weit weg“ nur junge
Weine von Beaux Frères verkosten konnte - die mir nicht sonderlich zusagten, habe ich mich um so mehr
gefreut – gefreut im Sinne von pseudowissenschaftlichem
Neugierigkeitswahn - einen sehr gereiften Beaux Frères Pinot Noir aus dem Jahr
1993 in die Hände zu bekommen. Na genug gefaselt, dann lasst uns doch mal gucken wie er so war dieser "Parker Pinot" …
Erstaunlich dunkelrote, aber immer noch
überzeugend glänzende Reflexe im Kern, und hin zum Rand strebende an
Doctor Pepper erinnernde Schattierungen - vielleicht etwas
ausgemergelte und „schleierhafte“ Schattierungen - dürften die
Farbgebung des Beaux Frères Pinot Noir 1993 relativ treffenden
wiedergeben. In anbetracht seines Alters haute mich die Nase aufgrund ihrer Vitalität und
Intensität fast schon ein wenig um. Kräftige und typisch-oregonesische Düfte von feuchtem Waldboden, nassen Blättern, dunkler Erde, altem
Holz; dazu Pumpernickel Brot, vertrockneten Tomaten, etwas
Rosenpaprikapulver und eine Spur abgestandener Pflaumensaft gaben in
den ersten Stunden ein ausdrucksvoll bewegtes, schon leicht
stürmisch anmutendes Nasenkonzert. Nach drei bis vier Stunden wirkte die Nase
brachialer, etwas ätherisch alkoholisch (13%) und durchweg
süßlicher. Diese Entwicklung war wohl auch durch ein nicht ganz
gelungenes Temperaturmanagement meinerseits begünstigt. Naja, vorteilhafter erschien
mir die Nase in den ersten Stunden allemal. Am Gaumen wirkte der
Beaux Frère Pinot Noir (immer noch) sehr voluminös, leicht bullig und sicherlich
etwas drall. Doch seine eigentliche Lebenskraft und seine
konzentrierten aromatischen Attribute empfand ich sowohl als
überraschend als auch ausgesprochen überzeugend, wenn ich auch mit
ihrer stilistischen Ausformulierung - eine Stilart die sicherlich
Nähe zu manch unterstellter Geschmackspräferenz des erwähnten
Weinkritikers kaum wegzudiskutieren ist - eher weniger anfangen
konnte. Kraft und Leben hatten die unterschiedlich gewichteten Aromen
von getrockneten Kirschen, Tomaten Konfit, Gänseleberpastete,
Wacholder, getrockneten Pilzen, feuchtem Laub, Eisen, gewisse Röstaromen und immer noch
recht frisch anmutenden Pflaumen allemal. Auch seine mehr als
passable Länge im Abgang und sein nicht komplett überlebtes
feinkörniges Tannin gaben mir keinerlei Anlass zu meckern. Vier bis
fünf Stunden konnte er „objektiv“ überzeugende Qualitäten
aufrecht halten. Danach ging es langsam bergab. Was eine Bewertung nach
meinem zugegeben durchweg mangelhaften System angeht, habe ich so meine
Probleme. Da ich letztlich stets eine subjektive Bewertung abgebe, kann ich
ihm nicht wirklich mehr als ein beeindruckendes anständig****
geben. Andere Pinot Freunde dürften sich an der reichhaltigen
Stilistik weniger stoßen. Ich befürchte ich werde wohl nie ein großer Freund der Weine von Beaux Frères werden. Ob jung oder alt - mein Fall sind sie leider nicht. Ein wirklich interessantes
Verkostungserlebnis war es dennoch allemal. Zum Abschluss sollte ich aber ein nicht zu unterschätzendes Wort - naja, eigentlich zwei - über den Korken verlieren: fantastische Qualität!
Getrunken habe ich den Beaux Frères Pinot Noir 1993 an einem durchwachsenen und kühlen Tag aus einem Spiegelau Willsberger Collection Burgunder Rotweinglas - ein wahrscheinlich nicht ganz passendes Glas - im März 2015.
No comments:
Post a Comment