Einige Kilometer entfernt vom schönen Orvieto im umbrischen
Bergland steht eine mittelalterliche Burg die seit mehreren
Jahrzehnten, genauer gesagt seit 1940, einer der bekanntesten Weindynastien Italiens gehört. Die Burg
heißt Castello della Sala und die wohl wesentlich bekanntere Dynastie heißt Antinori.
Auf den ca. 160 ha Weinbergland von Castello della Sala werden neben wenigen
regionaltypischen Rebsorten hauptsächlich Chardonnay, Sauvignon Blanc und Pinot
Nero kultiviert. Um Letzteren und flächenmäßig mit abstand Kleinsten, nur ca. 7
ha sind mit Pinot Nero bestockt, soll es heute gehen. Die Geschichte dieses
Pinot Neros ist noch nicht so weitgereift wie das eigentliche Castello oder die
Dynastie. Erst seit 1988 wird von der Familie Antinori ein umbrischer Pinot
Nero zubereitet. Die Trauben für meine Ausgabe von 1996 wuchsen zwischen 400 m
bis 600 m ü.d.M. auf hauptsächlich sehr kalkhaltigen Böden. Das Lesegut wurde entrappt,
teilweise gepresst und in Edelstahl sowie in französischer Eiche vergoren.
Darauffolgend ruhte sich der noch junge Wein für acht Monate in französischem
Holz und 15 Monate in seiner Flasche aus. Nach weiteren ca. 180 Monaten
habe ich nun diesen Pinot Nero aus seinem gläsernen Käfig befreit wurde dankenswerterweise sehr positiv überrascht …
Wie es von einem umbrisch-toskanischen Pinot Nero es wohl zu
erwarten war, präsentierte sich der Kern des Castello della Sala als sehr
dunkel und nahezu intransparent. Seine Corona jedoch ließ eindeutige Schlüsse
auf sein fortgeschrittenes Alter zu. Eine von blutunterlaufenem Bernstein
getragene visuelle Aura machte sich in dieser Randregion stark bemerkbar. Die
Nase war in den ersten zwei Stunden ziemlich zurückgezogen und konnte höchstens
mit erdigen, rauchigen und holzigen Düften aufwarten. Auch ganz kleine
Anzeichen von Klebstoff und nassem Laub meinte ich errochen zu haben. Nach
guten zwei Stunden zeigte sich zwar ein ähnliches Duftbild, welches von
Erdigkeit und sehr dunklem Holztönen getragen wurde, doch die Einflüsse von
Unterholz, nassem Laub, einer aufkommenden Duftigkeit von getrockneten dunklen
Kirschen, leichten balsamischen Zügen und nicht zu wenig Pastrami verliehen der
Nase mehr und mehr von wilder und ungestümer Komplexität, welche ich nicht als
anstoßend empfand. Beim ersten oralen Herantasten an den Wein merkte ich sofort,
dass dieser Pinot Nero in jungen Jahren ziemlich sicher eine ganz schön ruppige
"Wildsau" gewesen sein dürfte. Wie es sich nun mal für umbrischen Wein gehört,
konnte ich auch jetzt, nach 16-17 Jahren, noch ein recht griffiges und im Abschmelzen
befindliches hartes Tannin ausmachen. Zur erwartbar strammen Säure, glücklicherweise jetzt sehr gut ins palatale Gesamtbild passend, muss ich nicht
viel berichten. Die gehört einfach dazu, nehme ich an! Ich empfand die Struktur
des Weines als sehr herb und mit Kraft geschwängert, doch zu keinem Zeitpunkt
als abstoßend oder grobschlächtig. Die Aromen der ersten Stunden waren
geprägt von sehr viel Unterholz, dunklem Holz, dunkler Erde, viel nassem Laub,
etwas Trockenfleisch und Leder und nahezu keiner Frucht. Auch hier, wie bei der
Nase, kam es nach einigen Stunden zur Entwicklung hin in Richtung dunkler und nicht ganz so getrockneter Kirschen, mehr Würzigkeit und leichter
Kräuternote, mit gewisser Anmut ausgestattetem Rauch, Spuren von Cola und ins
ganz leicht süßlich gehende balsamische Noten. Gegen Ende hin machte sich eine
sehr angenehme schmelzige Süße im Abgang bemerkbar. Was den Abgang betrifft,
kann ich nur voller Zufriedenheit von einer sehr guten Länge berichten. Was das
eigentliche Alter und der damit verbundene Zustand betrifft, kommt mir nur
eines in den Sinn: erstaunlich fit, energiegeladen und voller rustikaler Kraft!
Auch ein schneller Abbau machte sich nach mehr als sechs Stunden nicht bemerkbar. Letzteres war für mich zugegebenerweise die größte Überraschung! Für mich war
der Pinot Nero Castello della Sala 1996 ein sehr anständiges ***** und stark
von regionaler Prägung bestimmtes Trinkerlebnis! Für mich …! Ganz sicher nicht für Jedermann! Eine „Warnung“ würde
ich deshalb gerne ausgeben wollen! Wie der aufmerksame Leser wohl schon
bemerkt hat, sind in der Beschreibung die für Pinot Noir sehr typische Ausdrücke
wie Eleganz, Frucht, Raffinesse usw. ein wenig sehr kurz gekommen. Diese
Attribute waren in diesem Wein auch nicht sehr präsent. Oberflächlich
formuliert hatte dieser Wein nur wenige rebsortentypische Eigenschaften. Es handelte
sich um einen wild-rustikalen Wein, wie er in der Region oft vorkommt, den ich als
reinen Essensbegleiter, am besten zum Wildschwein, empfehlen würde. Im Normalfall
verbinde ich mit dem Ausdruck „Essensbegleiter“ keine sehr wohlwollenden Hintergrundgefühle,
da ich Wein sehr gerne unverfälscht ohne Essen (ganz oder teilweise) genieße und
sonst bezüglich Kraft, Tanninen usw. auch ziemlich hart im Nehmen bin! Doch im
heutigen Fall drängte sich dieser Begriff „Essensbegleiter“ einfach auf! Die
Qualität des Weines möchte ich damit nicht in Frage stellen. Es ist eben immer
noch etwas von der einst jugendlichen „Wildsau“ in dem Wein haftengeblieben!
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