Nach mittlerweile gewohnt langwierig anhaltender
Schreibabstinez, soll es heute meiner Zunge mal wieder gestattet sein,
den einen oder anderen Ausflug, in mehr oder weniger weite Pinot
Länder, zu unternehmen. Dieses mal geht es als erstes nach Portugal – naja, wahrscheinlich
nicht so sehr für seine wenigen, aber dennoch erwähnenswerten, Pinots berühmt! Danach nach Italien – und das weder nach Südtirol noch ins Trentino. Dann Polen – Jaa, welches sicherlich noch viel weniger durch international pinotisierende Berühmtheit
glänzt. Weiter ab nach Argentinien – auch nicht so ganz das Pinot'dorado, wenn ich das mal so schreiben darf! Dann gehn Norden steuernd nach Oregon – immerhin mal was eher Herkömmliches und nicht ganz so Pinotxotisches! Und zu guter Letzt geht es zu einer mehrheitlich pinotträchtigen Unbekannten - ins nachbarschaftliche Luxemburg!
Cortes de Cima Pinot Noir 2014, Alentejano
Beginnen möchte ich mit Portugal! Wie schon erwähnt sicherlich kein sonderlich pinot-zentriertes Weinbauland. So langsam dürfte ich von jedem Pinot Portugals ein oder zwei Schluck probiert haben. Naja, fast möchte ich annehmen. Wie dem auch sei! Um dem Ganzen die außergewöhnliche Krone aufzusetzen geht es auch noch in die Region Alentejano. Einem der berüchtigten Wein-Glutöfen Portugals! Doch nicht ganz! In Alentejano gibt es überschaubar viele Weingärten, die weit ab vom Kerngebiet an der kühlenden Atlantikküste angelegt wurden. Seit 2008 kultiviert das nicht ganz unbekannte Weingut Cortes de Cima in der Nähe von Vila Nova de Milfontes Rebsorten, die im heißen Kerngebiet von Alentejano wohl kaum eine Chance hätten. Darunter auch mein erster Pinot Noir!
Farblich zeigte sich der Cortes de Cima Pinot 2014 sehr mustergültig. Enorm transparent und sehr dem optimalen Rubinrot entgegen strebend. Den etwas ungewöhnlich breit angelegten Wasserrand sollte ich wohl nicht unterschlagen. In der Nase zeigte er viel Rauch, der sich mit der Zeit glücklicherweise ins nasale Gesamtbild ein- und unterordnete. Weiter zeigten sich reichlich saftige Schwarzkirschen, etwas Zartbitterschokolade, Zimt und interessanterweise auch Etwas, dass mich an Rosenwasser erinnerte - glücklicherweise aber nicht all zu kräftig und schon gar nicht kitschig-penetrant wie auf so mancher Oma-Toilette. Nun gut, weiter im Text. Darüber hinaus zeigte sich auch viel Jod - was wiederum aufgrund seiner Herkunft nicht sonderlich überraschend war, etwas Minze und im Falle Pinots eine überraschende Prägung von schwarzer Oliven. Am Gaumen zeigten sich ähnliche Attribute, wobei hier das Jod mit reichlich Meersalz ergänzt wurde und noch wesentlich kraftvoller auftrat. Auch die letztgenannten Oliven waren am Gaumen etwas intensiver. Sonst zeigten sich ein stürmischer Hauch an recht staubiger Erde und nach einigen Stunden Aromen, die an Orangenschale und hie und da die eine oder andere Pflaume erinnerten. Von seiner Struktur her, zeigte sich der Cortes de Cima angenehm feingliedrig und irgendwie auch ein wenig leichtfüßig, sowie beschwingt. Warum "irgendwie"? Nun ja. Diese Aussagen mögen auch ein wenig durch perspektivisches Kopfkino bedingt sein, denn das momentan vorhandene zünftig-scharffkantige Tannin, lässt sicherlich nicht geradewegs auf solche luftig-galanten Eigenschaften schließen. Insgesamt ein durchaus anständiger**** Pinot Noir, den man sogar mit gewisser Phantasiefähigkeit als ein solchen erschmecken könnte.
Tenuta Mazzolino Pinot Nero 2013, Oltrepò Pavese
Aus der Lombardei konnte ich einen
jungen Klassiker zuletzt trinken. Die Tenuta Mazzolino aus Oltrepò
Pavese ist zwar wesentlich bekannter für ihre Spumante – was ja
nicht weiter verwunderlich ist – und ihren holzwürzigen-kräftigen
Chardonnay. Der Pinot Nero 2013 zeigte Reflexe von Rubin, im Kern
doch noch etwas dunkler und am Rand schon ganz leicht ins
ziegelfarbenengehende verfärbend. Im Vergleich zu allen anderen Pinots
war er wohl der dunkelste und schleierhafteste Vertreter. In der Nase
präsentierte er sich sehr duftig und expressiv. Granatapfel, Pilze,
getrocknetes Laub, lehmige Erde in Hülle und Fülle, Jod, Eisen und
leicht dörrig-rosinige Noten standen im Vordergrund. Am ersten Tag
waren auch die Röstaromen vom 30% neuen französischen Holz recht
deutlich zu erriechen. Am zweiten Tag konnte sich die Substanz des
Weines durchsetzen und das Holz dort hin verweisen, wo es hingehört.
In den Hintergrund! Am Gaumen zeigten sich neben dem Granatapfel
Aromen von Hagebutte und reifen Himbeeren. Dazu die schon erwähnten
Pilze, das Laub, gar nicht so wenig Kaffee, Thymian lastige Würze,
etwas Blut, Jod und Eisen und ebenfalls recht viel Röstaromen. Dass erwartbar
kräftige und recht krude Tannin gepaart mit einer für 2013 typisch
zünftigen Säure konnte so erwartet werden. Am zweiten Tag
war alles, wie auch das Holz, nicht mehr so wild und ungestüm, wie direkt
nach dem Öffnen. Seine kräftige Erdigkeit präsentierte sich am
Gaumen weniger schlammig und von Anbeginn dem Gesamtbild eher
unterordnend. Insgesamt ein rustikal-robuster, erdiger und
kraftvoller Rough-Neck Pinot Noir, der mich zeitweise an ein
Morey-St-Denis Village aus einem warmen Jahrgang erinnerte. Ich würde
ihm noch einige Jahre Flaschenruhe geben. Momentan, trotz aller
zupackenden Rustikalität, ein sicherlich durchweg anständiger****
Pinot Nero aus der südlichen von Herbstgefühlen geprägten
Lombardei … doch angemerkt sei, für Freunde von sehr
fruchtlastigen und samtigen Pinots welche zudemauch noch reich an ärmlicher Struktur
sind, wird ein solcher Pinot nie wirklich viel Freude entfachen.
Vorab erwähnt sollte ich wohl zugeben, dass dieser Adoria Vineyards Pinot Noir 2016 aus Zachowice - die wohl traditionsreichste Weinbauregion Polens, erst mein zweiter polnischer Pinot überhaupt war. Der erste war halt eben der erste, dieser sollte - nein muss - keine weitere öffentliche Erwähnung finden! So überaus begeisternd war dieser! Solche eine verdrießliche Anspielung muss ich bei meinem zweiten polnischen Pinot, also dem heutigen, nicht bemühen. Der Adoria Pinot Noir 2016 zeigte sich in meinem Glas sehr transparent, mit ganz leichtem Schleier und einer Tönung die mehr ins Granat als ins Rubin ging. Die Nase wirkte auf mich zunächst sehr vom Rauch geprägt. Darüber hinaus zeigten sich sehr kräftige Düfte die mich an rote Johannisbeeren, leicht diffus wirkende kühle grüne Würze, Shitake-Pilze und leider ein wenig zu viel Karamell erinnerten. Nach einigen Stunden intergrierte sich das Karamell ein wenig. Dazu gesellten sich auch auch schüchtern wirkendes feuchtes Moos und eine gewisse Salzigkeit (ja ja, ich weiß: Salz riecht nicht ... was soll's). Am Gaumen fiel mir zu aller erst die überaus intensive und heftigst-knackige Säure auf. Nichts für schwache Mägen! Mir hat sie sehr gefallen, aber auch ein klein wenig zu Schaffen gemacht. Sonst zeigten sich zur Nase ziemlich deckungsgleiche Attribute. Die roten Johannisbeeren waren kühl und präzise. Die Würze ebenfalls ein wenig diffus. Das Karamell zeigte sich glücklicherweise eindeutig schwächer. Dafür schlich sich ein mir etwas zu aufgesetzter Vanilleton ins Gesamtbild. Matschige Erdigkeit und ein kräftiges Stückchen Eisen trugen ihr rustikales Bißchen zum Ganzen bei. Insgesamt wirkte der polnische Pinot am Gaumen wesentlich kommunikationsfreudiger als es die Nase zunächst ankündigte. Gefallen hat er mir, wenn auch weniger aufgrund seiner unterentwickelten Charmeur-Qualitäten oder seiner eher bäuerlichen Eleganz. Er präsentierte sich eben als ein kerniges und rustikales Mitglied der Pinot Familie. Ohne weiteres ein sicherlich noch anständiges**** Pinoterlebnis.
Bodegas Chacra Sin Azufre Pinot Noir 2016, Patagonia
Wenn die Rede von Pinot Noir aus Patagonien ist, kommt man an Bodegas Chacra der Familie Incisa della Rocchetta kaum vorbei. Seit Jahren produzieren sie wohl die bemerkenswertesten Pinots aus der Region Neuquén im nördlichen Teil Patagoniens. Der Sin Azufre - der Name ist hier Programm, also kein Schwefel - ist das jüngste Mitglied der Pinot Familie von Chacra. Für argentinische Pinots, auch die anderen Gewächse von Chacra, kommt der Sin Azufre 2016 enorm transparent und orange-rubinrot daher. In der Nase zeigten sich energiegeladene Erdbeeren. Auch sehr würzige von vermeintlichem Feuerstein - die Reben sind auf eisenhaltigen Lehmböden kultiviert worden, geprägte Attribute stechen hervor. Im würzigen Zentrum tummeln sich Aromen die mich an Melisse und schüchterne Minze erinnern. Neigungen die an das Erbrochene von Erzgebiergsziegen erinnern - eine bei mir nicht ganz so selten vorkommende Assoziation bei Natural Wines - schucht man bei dem Sin Azufre glücklicherweise vergebens! Diese nicht vorhandene Wahrnehmung kommt ebenfalls am Gaumen zum tragen. Rein aromatisch ist die Erdigkeit etwas ausgeprägter und die eine oder andere geröstete Kaffeebohne lässt sich auch entdecken. Der restliche Eindruck ist sonst ziemlich deckungsgleich mit der Nase. Die kühle Charakteristik, beträchtliche Spannung und seine Leichtigkeit, die der Natural-Argentinier ausstrahlt, sind überzeugend und animierend. Die Säure zwar auch, doch ist sie momentan noch etwas sehr nervös und jugendlich widerborstig. Ein wenig sollte sich das in den nächsten Jahren noch legen. Für mich gehört der Sin Azufre zu den spannenderen und erinnerungswürdigeren Pinots aus dem Hause Chacra. Sicherlich ein anständiger****, wenn nicht sogar in einiger Zeit sehr anständiger***** Pinot mit viel Frische und wenigen naturalen Schattenseiten - was überhaupt und keinensfalls nicht heißen soll, dass Natural Wines generell von Schatten geplagt sind, doch wie jeder weiß, gibt es leider sehr sehr viele sehr zweifelhafte Weine in dieser nicht weiter klar definierten Produktionskategorie/-philosophie ....
Winderlea Vineyards and Winery Dundee Hills Vineyard Pinot Noir 2014, Dundee Hills
Der Winderlea Dundee Hills Vineyards
Pinot Noir 2014 zeigte sich am ersten Tag nicht von seiner besten
Seite. Am zweiten Tag präsentierte er um so mehr freudeerzeugende
Oregon-Funk-lastige herkunftstypische Eigenschaften die mich versöhnen konnten. Farblich blieb er über
die zwei Verkostungstage natürlich unverändert. Sehr transparent,
eher etwas dunkler und mit einer recht knallig-leuchtenden Farbe
ausgestattet. Was die Nase betrifft war er am ersten Tag sehr sehr
zurückhaltend. Abgesehen von Laub, Pilzen, ganz schüchtern wirkende
dunkle Kirschen - dafür aber etwas verwirrende grüne Banane, war
der Wein zunächst sehr stark vom Holz geprägt. Ähnliches spielte sich auch am
Gaumen ab. Hier zwar mit etwas mehr Frucht, mehr dunkelbeerig als kirschig, und
leider mit erstaunlich softem Tannin und magenfreundlicher Säure
„verwöhnt“. Glücklicherweise entwickelte sich der Dundee Hills Pinot Noir
über Nacht in eine wesentlich ansprechendere Richtung. In der Nase
wesentlich mehr Expression von dunklen Kirschen, etwas Cassis, viel
Laub, wild(-schweinisch)em Wacholder und Thymian, auch etwas Pfeffer
und feinen getrockneten Pilzen. Auch am Gaumen in ähnlicherer Richtung
verwandelt. Das Holz war ebenfalls ein wenig stärker aus dem Fokus gerückt. Am
zweiten Tag insgesamt ein harmoniegeprägter, saft-und kraftbetonter
Dundee Hills Pinot mit durchaus richtig anständigen**** Qualitäten. Versöhnen konnte er mich am zweiten Tag. Begeistern eher weniger ...
Domaine Henri Ruppert Pinot Noir Barrique 2015, Coteaux de Schengen
Der
zweifelsohne naheste aller heutigen „Pinots weit weg“ - genauer, nur ein
beachtlichen Steinwurf über die Mosel bei Schengen weg, ist der
Pinot Noir Barrique 2015 der Domaine Henri Ruppert. Für mit der Region Vertraute: Das Raumschiff links neben der Autobahnbrücke! Dieser ziemlich
dunkle und etwas trübe wirkende Pinot kam in den ersten Stunden
relativ teutonisch anmutend um die Ecke. Mit viel Holz, viel Rauchspeck und
samtiger Fruchtigkeit forderte er meine Zunge heraus. Eine Neigung zur
süßlichen Zuckrigkeit fehlte ihm glücklicherweise schon von Beginn an. Wie dem
auch sei! Nach ca. sechs Stunden und am Folgetag legte sich die
schreinerphile Neigung beträchtlich und das rauchige Fleisch verschwand komplett!
Jetzt zeigte sich viel saftig Pflaume, feine und durchaus passende
Würze, leicht matschige Erdigkeit, angenehmer Rauch und ganz guter
Druck. Das präsente, aber nicht weiter sonderlich harte Tannin und
die lebendige Säure konnten micht durchaus überzeugen. Von eigentlicher
Komplexität konnte beim Pinot Noir Barrique kaum die Rede sein. Von solider und
gradliniger Qualität mit nun eher französischem Einschlag ganz sicher. Mit
genügend Belüftung ein durchaus anständiges**** Pinotvergnügen!