29.12.16

Casal Sta. Maria Pinot Noir 2011, Lisboa



Ich bin schwer der Annahme verfallen, dass die wenigsten von uns, sofern wir es überhaupt soweit schaffen sollten, nicht die Absicht hegen mit 96 Jahren ein Weingut gründen zu wollen bzw. ein Weingut aus dem Dornröschenschlaf erwecken zu wollen. So, oder in etwa so, hat es sich im Jahr 2006 zugetragen, als Baron Bodo von Bruemmer die Adega Casal Santa Maria gründete. Von Bruemmer ist 1911 als Nachfahre deutscher Aristokraten im russischen Zarenreich zur Welt gekommen, nach der Oktoberrevolution in Deutschland und vornehmlich der Schweiz aufgewachsen und aus gesundheitlichen Gründen in den 1960er Jahren in die westlich von Lissabon gelegenen Region Colares übergesiedelt. Dort angekommen fing er zunächst an Araberpferde zu züchten. Mit großem Erfolg! Nach einer schweren (und gut überstandenen) Operation im Jahr 2006 entschloss er sich, bzw. erpendelte er sich (so wird es zumindest kolportiert), ins produzierende Wein-Business einzusteigen. Seitdem produziert er unter Mithilfe seinen Winemakers António Figueiredo aus drei kleinen Weingärten in der vom kühlenden Atlantikklima geprägten Region Colares Weine aus Ramisco, Malvasia, Arinto, Chardonnay … und natürlich Pinot Noir! Vor eingen Wochen ist von Bruemmer 105jährig von uns gegangen. Anlass genug ihm zu Ehren meinen ersten portugiesischen Pinot Noir überhaupt zu verkosten. 



Farblich präsentierte sich der Pinot Noir 2011 von Casal Santa Maria sehr transparent, strahlend jugendlich und mehr ins Granat als in Rubin gehend. Seine Viskosität wirkte sehr leicht-flüssig und „luftig“ auf mich. Die Nase war die ersten Stunden von recht viel getrocknetem Rauchfleisch, Piment, salzige Seebrise (die Reben stehen fast im Atlantik), ganz wenig Gummireifen und sehr zurückhaltender geeistem Ruhmtopf ohne Anklänge von starker Hitze oder gar Alkohol. Seine dunkle Beerenfrucht schien durchweg eher schüchtern und noch von seinem sehr jungen Alter geprägt. Insgesamt wirkte die Nase die ersten drei Stunden sehr straff, ernst, etwas abweisend und spannend intensiv. Nach einigen Stunden Belüftung wurde seine Salzigkeit immer krasser und begeisternder, das Rauchfleisch nahm glücklicherweise stetig ab, eine sehr knackige Piment-Nelken-Pfeffer Würze stellte sich zunehmend ein, dazu etwas Tonkabohne sowie Zitronenmelisse und von Seite der Fruchtaromen mehr und mehr Noten die mich an Pflaumen und Cassis erinnerten. Am Gaumen fiel mir zunächst seine sehr straffe, lebendige und fast schon scharfe Säure auf. Diese brauchte zwei bis drei Stunden um sich zu zivilisieren. Auch das schon bekannte Rauchfleisch und seine enorme Salzigkeit, schüchteren dunkle Beeren und die insgesamt sehr ausgeprägte Ernsthaftigkeit des Weines machten sich die ersten zwei bis drei Stunden eindeutig bemerkbar. Von übermäßiger Wärme oder Alkohol war zu keinem Zeitpunkt irgendetwas zu spüren. Irgendwie erinnerte er mich in der Anfnagsphase ein wenig sehr an einen "milderen" und feiner strukturierten Ramisco. Nach einigen Stunden (und am Folgetag) stellten sich eine gewisse kernige Weichheit, beträchtliche Eleganz, immer salziger-jodiger werdende mineralische Anklänge (inkl. Spuren von Algen) ein. Auch die Fruchtaromen von Pflaumen, Schwarzkirschen, Cassis und einem Hauch Hagebutte (wahrscheinlich komplett eingebildet) konnten nun mehr als genügend zurückhaltende Expression und Substanz aufzeigen. Ein für mich sehr überraschender und fesselnder Wein mit hohem Spannungspotential. Da ist noch viel Entwicklungspotential (positiv gemeint) vorhanden. Doch anständige **** bis fast schon sehr anständige ***** Qualitäten konnte er für mich jetzt schon aufzeigen.

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