9.4.15

Beaux Frères Pinot Noir 1993, Willamette Valley




Eins vorab! Ich habe (leider) keine Ahnung wie das Jahr 1993 in Oregon hinsichtlich Wetter, Ernte und weiteres so gewesen sein mag … und ich bin, wie es der gelegentliche Leser verstehen mag, viel zu faul solche mühsamen Recherchen anzustrengen. Nur eins: es soll wohl nicht das aller beste Jahr gewesen sein ... Nun ja ... wichtiger ist was dem pinot-beflissenen Weinfreund bei seiner Grundausbildung hin zum Pinot-"Fanatiker" möglicherweise nicht entgangen sein mag. Sprich, die Kenntnis darüber, dass es sich bei einem dieser Beaux Frères (franz. für Schwäger), die dem Weingut den Namen verliehen haben, um eine nicht ganz unbekannte Persönlichkeiten des Weinkosmos handelt. Diese Persönlichkeit ist niemand geringeres als Robert M. Parker Jr. Seines Zeichen Weinpapst oder Ähnliches. Der andere, und mittlerweile auch nicht gerade unbekannte, beau-frère ist Michael Etzel. Zweiterer, also Michael Etzel, war es, der 1986 beschloss auf dem Grund einer ehemaligen Schweinefarm in Ribbon Ridge Weinreben anbauen zu wollen. Dazu benötigte er finanzielle Unterstützung, die er dank der Hilfe seines beau-frère aus Maryland erhielt. Die ersten Jahre verkaufte Etzel, der auch als Weinmacher fungiert, den Großteil seiner Ernten an namenhafte Nachbarn wie Ken Wright oder Dick Ponzi. Erst im Jahr 1991 begannen die Beaux Frères eigenen Wein im größeren Stil zu produzieren. Schon ab dem ersten Jahrgang zeichneten sich ihre Weine durch hohe Konzentration, durch viel Extraktion und durch lange Fasslagerung (im Schnitt 36 Monate) mit hohem Neuholzanteil aus. Eine Herangehensweise die mir in den meisten Fällen persönlich nicht sonderlich entgegenkommt. Da ich bis zu meinem heutigen „Pinot weit weg“ nur junge Weine von Beaux Frères verkosten konnte - die mir nicht sonderlich zusagten, habe ich mich um so mehr gefreut – gefreut im Sinne von pseudowissenschaftlichem Neugierigkeitswahn - einen sehr gereiften Beaux Frères Pinot Noir aus dem Jahr 1993 in die Hände zu bekommen. Na genug gefaselt, dann lasst uns doch mal gucken wie er so war dieser "Parker Pinot" …




Erstaunlich dunkelrote, aber immer noch überzeugend glänzende Reflexe im Kern, und hin zum Rand strebende an Doctor Pepper erinnernde Schattierungen - vielleicht etwas ausgemergelte und „schleierhafte“ Schattierungen - dürften die Farbgebung des Beaux Frères Pinot Noir 1993 relativ treffenden wiedergeben. In anbetracht seines Alters haute mich die Nase aufgrund ihrer Vitalität und Intensität fast schon ein wenig um. Kräftige und typisch-oregonesische Düfte von feuchtem Waldboden, nassen Blättern, dunkler Erde, altem Holz; dazu Pumpernickel Brot, vertrockneten Tomaten, etwas Rosenpaprikapulver und eine Spur abgestandener Pflaumensaft gaben in den ersten Stunden ein ausdrucksvoll bewegtes, schon leicht stürmisch anmutendes Nasenkonzert. Nach drei bis vier Stunden wirkte die Nase brachialer, etwas ätherisch alkoholisch (13%) und durchweg süßlicher. Diese Entwicklung war wohl auch durch ein nicht ganz gelungenes Temperaturmanagement meinerseits begünstigt. Naja, vorteilhafter erschien mir die Nase in den ersten Stunden allemal. Am Gaumen wirkte der Beaux Frère Pinot Noir (immer noch) sehr voluminös, leicht bullig und sicherlich etwas drall. Doch seine eigentliche Lebenskraft und seine konzentrierten aromatischen Attribute empfand ich sowohl als überraschend als auch ausgesprochen überzeugend, wenn ich auch mit ihrer stilistischen Ausformulierung - eine Stilart die sicherlich Nähe zu manch unterstellter Geschmackspräferenz des erwähnten Weinkritikers kaum wegzudiskutieren ist - eher weniger anfangen konnte. Kraft und Leben hatten die unterschiedlich gewichteten Aromen von getrockneten Kirschen, Tomaten Konfit, Gänseleberpastete, Wacholder, getrockneten Pilzen, feuchtem Laub, Eisen, gewisse Röstaromen und immer noch recht frisch anmutenden Pflaumen allemal. Auch seine mehr als passable Länge im Abgang und sein nicht komplett überlebtes feinkörniges Tannin gaben mir keinerlei Anlass zu meckern. Vier bis fünf Stunden konnte er „objektiv“ überzeugende Qualitäten aufrecht halten. Danach ging es langsam bergab. Was eine Bewertung nach meinem zugegeben durchweg mangelhaften System angeht, habe ich so meine Probleme. Da ich letztlich stets eine subjektive Bewertung abgebe, kann ich ihm nicht wirklich mehr als ein beeindruckendes anständig**** geben. Andere Pinot Freunde dürften sich an der reichhaltigen Stilistik weniger stoßen. Ich befürchte ich werde wohl nie ein großer Freund der Weine von Beaux Frères werden. Ob jung oder alt - mein Fall sind sie leider nicht. Ein wirklich interessantes Verkostungserlebnis war es dennoch allemal. Zum Abschluss sollte ich aber ein nicht zu unterschätzendes Wort - naja, eigentlich zwei - über den Korken verlieren: fantastische Qualität!

Getrunken habe ich den Beaux Frères Pinot Noir 1993 an einem durchwachsenen und kühlen Tag aus einem Spiegelau Willsberger Collection Burgunder Rotweinglas - ein wahrscheinlich nicht ganz passendes Glas - im März 2015.

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